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höchstselbst mit Biersuppe aufgezogen


Stadtteil: Prenzlauer Berg
Bereich: Windmühlenberg
Stadtplanaufruf: Berlin, Saarbrücker Straße
Datum: 14. September 2008

Die Bayern haben den Berlinern das moderne Bierbrauen beigebracht. Bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts gab es in Berlin nur obergäriges Weißbier, zu den gastronomischen Grundkenntnissen jeder Hausfrau gehörte das Zubereiten einer Biersuppe -->(1). Als der preußische Bierkonsum nach dem dreißigjährigen Krieg stark zurückging und importierter Tee und Kaffee im Kommen war, rief Friedrich der Große zum Biertrinken auf, er sei "höchstselbst in der Jugend mit Biersuppe aufgezogen" worden und das sei viel gesünder als Tee und Kaffee. Das war sozusagen eine königliche Marketingkampagne.

Die untergärige, bayerische Brauart war durch neue physikalische Erkenntnisse über die Treibmittel möglich geworden, und so kamen aus Süddeutschland - insbesondere Bayern - Brauer nach Berlin. Der in Bayern als Brauer ausgebildete Georg Leonhard Hopf hat 1828 erstmalig in Berlin ein "bairisches" Bier gebraut, sein kaufmännischer Partner war ein Herr Fanta (Hopf und Fanta, nomen est omen). Vor der nördlichen Stadtmauer, vor der "Königsstadt", auf dem Windmühlenberg wurde 1849 "Wagner's Bairisch Bier Brauerei" eröffnet, aus der 1879 die Königstadt-Brauerei hervorging. Die Brauerei lag wie eine Terrasse auf dem Berg, von der Hangseite hatte man Keller in den Hügel hinein getrieben, die im Laufe der Zeit auf 3.500 qm erweitert wurden. Der Prenzlauer Berg liegt rund zehn Meter höher als das Berliner Urstromtal, damit ist auch der relative Grundwasserspiegel tiefer, und der Boden ist lehmig. Die Bedingungen auf der Anhöhe waren deshalb ideal, um gewaltige Kellergewölbe auszuheben. Diese waren damals Vorbedingung für die kühle Lagerung von Bierfässern.

Insgesamt sollen es um die 20 Brauereien gewesen sein, die sich am Windmühlenberg ansiedelten, Berlin war die größte Brauereistadt Europas. Die benachbarte "Bairischbier-Brauerei Pfeffer" am Pfefferberg ist heute noch als Industriedenkmal erhalten. Zu den Brauereien gehörten ausgedehnte Biergärten, die bis zu 10.000 Gäste aufnehmen konnten. Die Königstadt-Brauerei errichtete an der Seite zur Schönhauser Allee ein zweistöckiges Gebäude mit Arkaden, in denen Läden zum Flanieren und Kaufen einluden. In ihrem Ausschankbereich gab es umfangreiche Freizeitmöglichkeiten mit Kegelbahn und Karussell, Die Königstadt AG betrieb aber auch die Entwicklung und Vermarktung der Immobilien am Windmühlenberg. 1921 verkaufte sie ihre Brauerei an die Berliner Kindl Brauerei, die in ihren Betrieben nunmehr jährlich 1.100.000 Hektoliter "Kindl"- Bier herstellen konnte --> (2). Die Königstadt AG konzentrierte sich danach vollständig auf das Immobiliengeschäft, sie existiert heute noch in Berlin.

1925 wurde aus der Königstadt-Ausschankhalle der "Ufa-Palast Königstadt", eines der ersten Tonfilm-Uraufführungshäuser Berlins mit 1.500 Plätzen. Den Brauereikomplex nutzten verschiedene kleine Firmen wie Fuhrbetriebe, Werkstätten und Lagerbetriebe. Im 2.Weltkrieg wurden in einem Teil der Keller von Zwangsarbeitern Rüstungsgüter montiert, in anderen der direkt unter der Hofdecke liegenden Keller wurden die Decken verstärkt, um sie als Luftschutzkeller benutzen zu können Zu DDR-Zeiten hatte die Stasi-Fahrbereitschaft auf dem Hof ihre Fahrzeuge zu stehen, im Keller wurden Champignons gezüchtet. Handwerker, Künstler und Dienstleistern als Genossenschaft erwarben nach der Wende den Brauereikomplex und entwickeln ihn zu einem Gewerbehof, der im Gegensatz zu der "geleckt" wirkenden "Brotfabrik" in der Nähe einen alternativen Charme ausstrahlt. Im Keller sollen Garagenplätze entstehen, den Gewölbekeller mit der riesigen Heizungsanlage und ihren rostigen Stahlkesseln, dicken Rohren und Schiebern wird man als einzigartiges Ambiente für Events bereithalten.

Am Denkmaltag konnten sowohl der Gebäudebereich als auch die Keller bei Führungen erforscht werden, ein weiterer Mosaikstein meines Themas "Unterwelten" an diesem Tag (nach dem "Waisenbunker"/"Waisentunnel" und dem "Schwerbelastungskörper").



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(1) Biersuppe: "Nimm ein Bierglas voll Bier, ebensoviel Wasser, einen kleinen Esslöffel voll feines Mehl und verrühre dieses gut. Thue einige paar Körnchen Salz und Zucker dazu, bis es süß genug ist. Schlage dieses auf gutem Feuer, bis es kocht. Verrühre in der Terrine ein Eigelb mit ein paar Tropfen Wasser, schütte unter beständigem Rühren die Suppe dazu. Schlage von dem Eiweiß festen Schnee und rühre ihn durch die Suppe" (aus dem Kochbuch der Trierer Köchin Bertha Gumprich 1888).

(2) Bierkonsum: In Berlin und Brandenburg werden aktuell gut 2.000.000 Hektoliter Bier pro Jahr konsumiert



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