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Etwas weggetreten Romantisches


Stadtteile: Prenzlauer Berg, Mitte, Kreuzberg, Pankow, Schöneberg
Datum: 14. Dezember 2022
Bericht Nr.:793

Flanieren zu Berliner Häuserwänden mit Frauenbildnissen, das war die Idee, die zu einer Sternfahrt in der Stadt wurde. Wandbilder findet man in allen Bezirken, Kreuzberg ist ein gewachsener Hotspot. Die Gewobag hat an ihren Häusern zwei Standorte in Schöneberg und Tegel entwickelt, die Wandbilder der Stiftung "Urban Nation" entlang Bülowstraße und den Art Park Tegel an der Neheimer Straße. Die Wandbilder für diesen Stadtrundgang habe ich unabhängig von Hotspots nach Himmelsrichtung zufällig ausgewählt, die Mehrzahl lag im Prenzlauer Berg.

Wandbilder sind von einer alternativen Ausdrucksform mit Aktionen in Mexiko (um 1930) und den USA (um 1960) zu einer anerkannten Kunstströmung geworden. In der sich Protest, Vision und Illusion, und aber auch Werbung und Reklame wiederfinden. Sie können gesellschaftliche Probleme sichtbar machen, gegen das Grau der Städte und gegen Monotonie, Gleichgültigkeit und die Seelenlosigkeit der Stadt ankämpfen.

Street-Art ist Kunst, bei unserem Rundgang wird sie unvermittelt zu einem feministischen Thema. Seitdem es Kunst gibt, gibt es Künstlerinnen, doch sie werden nicht ebenbürtig wahrgenommen. Die Tradition ist männlich geprägt, die "patriarchale Kunstwelt ist blind für Frauen" (Deutschlandfunk). Offensichtlich gilt das auch für Street-Art. Das war nicht der Ansatz zu diesem Stadtrundgang, aber leider bestätigt sich, dass die meisten - zufällig nach Himmelsrichtung ausgewählten - Wandbilder von männlichen Künstlern geschaffen wurden. Es gibt kritische Inhalte, andere Bilder haben "etwas weggetreten Romantisches".



Modebilder an die Wand gesprüht
Der Künstler xoooox hatte damit angefangen, Frauenbilder aus Modezeitschriften auszuschneiden und an die Wände zu kleben. Bald stellte er sich auf Schablonengraffiti um, sprühte die Frauenbilder mithilfe von Stencils an die Wände. Schön anzusehen, attraktiv, aber ohne eine inhaltliche Aussage. Geheimnisvoll bleibt nur seine Identität, die er ebenso geheim hält wie Banksy. Aber der hinterlässt gern seine Werke auch an politischen Schauplätzen wie der Ukraine.


Geschenk eines Fremden
Der deutsche Künstler Alias aus Berlin setzt sich "thematisch viel mit persönlichen Krisen auseinander, Zuständen der Verletzlichkeit, Einsamkeit und des Scheiterns". Das "Devil Girl - Gift by a stranger" kann man im Berliner Stadtbild finden. Das Mädchen mit einem Rosenstrauß ist als Sticker an die Wand geklebt. Wie bei vielen Street-Art-Künstlern wird das "Teufelsmädchen" auch in einer Galerie vermarktet als Stencil (Schablone), mit Sprühlack auf eine schwere Holzplatte aufgesprüht.


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Alltag und Hoffnung

Der Berliner Künstler El Bocho ist allgegenwärtig. Die Katze von Little Lucy ist als Klebebild in der Stadt nicht zu übersehen, die Auseinandersetzung mit ihr verläuft mörderisch: Die Katze als Döner am Spieß, die Katze mit einem Strick um den Hals, die Katze wird getoastet oder mit dem Hackebeilchen in zwei Stücke zerteilt. El Bocho treibt hier nach einer literarischen Vorlage mit Streetart seinen skurrilen Schabernack.

Aber bei dem heutigen Rundgang geht es nicht um Katzen, sondern um El Bochos Frauenbildnisse. In ihnen zeigt er das Großstadtleben, den Alltag, Sehnsüchte, vergangene Lieben, Freuden oder Hoffnungen. Wie bei einer Frau mit erotischer Ausstrahlung, der er "I miss my Plattenbau" in den Mund gelegt hat. Oder einer Frau mit halb geöffneten Mund an einer Fabrikwand an der Gitschiner Straße.


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Religiösen Ikone

Die Straßendarstellung einer religiösen Ikone findet sich an der an der Ostseestraße: Das Bildnis der Jungfrau Maria ist ein Gemeinschaftswerk von drei Künstlern aus Portugal und England, zwei Männern und einer Frau. Das englische Duo SNIK arbeitet mit handgeschnittenen Schablonen, die in vielen Schichten übereinandergesetzt werden.

Der portugiesischen Künstler Nuno Viegas hat dann dem Bildnis eine Krone aufgesetzt. Diese zeitgenössische Interpretation wird von dem Veranstalter so kommentiert: "Der Fokus auf das Gewöhnliche hebt die subtilen Aspekte hervor und verweist somit auf einen tieferen Sinn". Die Sinnhaftigkeit dieses Satzes ist mir verborgen geblieben.


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Daphne und Apollo

Liebe, Eifersucht und Durchtriebenheit griechischer Götter wirken so menschlich. Tragisch endet die Liebesgeschichte von Apollo und Daphne, sie entgeht seinen Nachstellungen nur dadurch, dass sie sich in einen Lorbeerbaum verwandeln lässt.

Ihm bleibt nur, den Lorbeerkranz innig zu verehren. Ein antikes Fresko aus Pompeji mit diesem Thema hat zwei Künstler zu einer Gemeinschaftsarbeit animiert. Der Kanadier Young Jarus mit seiner Leidenschaft für Realismus und der Argentinier Francisco Bosoletti mit seiner "Kunst, menschliche Körper einzufangen und diese mit schönen Elementen zu umranden", haben das Wandbild an der Gitschiner Straße geschaffen.




Wir sehen, was wir sehen wollen
Die stadteigene Wohnungsagentur Berlinovo hat in Pankow-Süd die Wände einer ausgedehnten Wohnanlage bemalen lassen und lobpreist sie als "die größte bemalte Fassadenfläche in Deutschland". Für die Linien und Wellen auf der Außenhaut mag das zutreffen. Für die drei Wandbilder, die davon umflossen werden, gilt dieser Flächen-Superlativ nicht.

Auf der von Fenstern durchbrochenen Fassade hat die Künstlerin Michelle Hundertzehn ein Frauengesicht in der Technik eines Rasterdrucks aufgebracht. Der Illustrator Martin Krusche hat das Schlussbild mit einem naiven clownsartigen Wesen gestaltet. Die komplexe Natur von Emotionen beschäftigt die argentinische Künstlerin Caro Pepe. "Mit ihren unverwechselbaren 'einäugigen' Frauen unterstreicht sie das Konzept der Voreingenommenheit: Wir sehen, was wir sehen wollen".


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An der Hauswand entsteht ein Buch
"Wenn ich wüsste, dass die Welt morgen untergeht, würde ich heute einen Apfelbaum pflanzen". Das Künstlerduo Herakut - eine Frau, ein Mann - hat diesen hoffnungsvollen Ausspruch, der Martin Luther zugeschrieben wird, in seinem Wandbild an der Greifswalder Allee verwendet. Das Bild gehört zu ihrem Projekt "Giant Storybook", das mehrere ihrer Bilder auf verschiedenen Kontinenten zu einem globalen Kinderbuch zusammenfassen soll.

Dieses Buch handelt von zwei Kindern, dem Mädchen Lily und ihrem Bruder Jay, die als Babys getrennt wurden und in unterschiedlichen Welten aufwachsen. Die Textkomponenten wechseln von Bild zu Bild. Die Message des Künsterduos ist, danach zu suchen, was man gemeinsam hat, statt die Unterschiede zu betonen.




Popkultur und traditionelle Einflüsse
Francisco Rodrigues da Silva (" Nunca") hat schon in der Tate Modern in London ausgestellt. Bekannt wurde er mit Murals von indigenen Völkern. Der Künstler lebt in São Paulo. Seine Figuren sind Collagen aus indigenen, afrikanischen, brasilianischen und europäischen Elementen.




Menschenrechte, Frauenrechte
Anders als die bisher behandelten Themen Kommerz, Romantik, Emotionen, Wahrnehmung, Gemeinsamkeiten, fremde Kulturen steht im letzten der hier vorgestellten Wandbilder die politische Aussage im Vordergrund. "Mut braucht Schutz“ wurde als Kampagne von Amnesty International ins Leben gerufen, um Frauen zu ehren, die Menschenrechte verteidigen. Bewusst wurde eine Frau als Künstlerin ausgewählt in einem "männlich dominerten Kunstfeld wie dem der Streetart".

Die russischstämmige Künstlerin Katerina Voronina ehrt mit ihrem Mural, das im letzten Jahr zum Internationalen Frauentag präsentiert wurde, die Vorkämpferin für Menschenrechte Marielle Franco, die in Brasilien ermordet wurde. "Eine starke, mutige Frau, die unbeirrt gegen Machtstrukturen ankämpfte und dadurch ihr Leben verlor". Das Bild zeigt zusätzlich zur Frauenfigur markante Stadtszenen.


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Erleichtert schließe ich mit diesem Bericht den Jahrgang 2022 ab. Die Stadt kommt in diesem Winter an ihre Grenzen, hoher Krankenstand als Normalfall, ausfallende Züge, Pendelverkehr, Kälte und dann auch noch das: Gerade habe ich bei einbrechender Dunkelheit das letzte Wandbild erreicht, in unbekannter Gegend, da wird der Handymonitor schwarz, es hat vor Kälte schlapp gemacht. Keine Menschen auf der Straße, kein Verkehr, wo bin ich hier, wie komme ich hier weg? Es gab ein Happy End, etwas verzögert, nachladen dank Powerstation.
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Der erfolgreiche Weg des Holzes im Städtebau
Ein Hunde-Selfie auf der Wand