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Ehrung für eine rumänischen Königin


Stadtteil: Prenzlauer Berg
Bereich: Erich-Weinert-Straße
Datum: 19. Februar 2025
Bericht Nr.:857

Wieder einmal sind wir im Prenzlauer Berg unterwegs zwischen den Radialstraßen, die von der Mitte Berlins ins nördliche Umland streben. Zwischen Schönhauser Allee und Greifswalder Straße mit der Zwischenstation Prenzlauer Allee verläuft die Erich-Weinert-Straße auf einer Länge von zwei Kilometern. Weiter südlich an den Torstraße/Mollstraße sind diese Radialstraßen nur 800 Meter voneinander entfernt.

Erich Weinert
Seit 1904 trug die Erich-Weinert-Straße vorher den Namen der Königin von Rumänien. Die DDR hatte mit einem Namenswechsel 1954 entsprechend ihrem Fokus auf Antifaschisten einen Schriftsteller geehrt, der während der Nazizeit nach Russland emigriert war und nach dem Krieg in der DDR die Ost-Berliner Akademie der Künste mitgegründet hatte. An Weinert erinnert in Wilmersdorf eine Gedenktafel, eine Büste steht an der Prenzlauer Allee.

Carmen Sylva
Mit der Umbenennung wurde der Name der rumänischen Königin aus dem Straßennamen getilgt. Prinzessin Elisabeth zu Wied hatte 1861 in Berlin den Hohenzollernprinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen kennengelernt. Nach ihrer Heirat wurde er zum König von Rumänien proklamiert, das politisch instabile Land sollte durch einen neutralen ausländischen Prinzen stabilisiert werden. Die Prinzessin – jetzt Königin - verfasste unter ihrem Künstlernamen Carmen Sylva "rührselig-schwärmerischen Dichtung": Märchen, Dramen, Landschaftsbeschreibungen, Romane und Gedichte.

Die Erich-Weinert-Straße zeigt in ihrem Verlauf auf 2 Kilometern ganz unterschiedliche Architekturbilder: Ein Ensemble von Jugendstil-Häusern (um 1903), mehrere Wohnanlagen (Ende der 1920er Jahre), die Großsiedlung und UNESCO-Weltkulturerbe Carl Legien (1928-1930), ein Neubauprojekt (Ecke Prenzlauer Allee), zwei Schulen (Grundschule 1915, Ballett- und Artistikschule 1969), eine Kita, Industriebauten (Pumpstation, 1908; Pianofabrik, 1900) sowie mehrere Grünanlagen (Humannplatz, Gertrud-Classen-Platz).

Jugendstil
Städte wie Brüssel, Wien oder auch Riga zeigen die organischen Bauten des Jugendstils in einer Vielfalt, manchmal sogar ganze Straßenzüge lang. In Berlin sind es nur einzelne Bauten, manchmal als Gebäude-Ensembles, deren Fassaden mit Ornamenten des Jugendstils geschmückt sind. Trotzdem sollte der Blick nicht daran vorübergehen, es gibt interessantes zu entdecken. Beim letzten Stadtrundgang in der Immanuelkirchstraße haben wir uns mit den Maskaronen beschäftigt, dort war die Fassade mit mehreren Fratzen von Männergesichtern geschmückt.

Hier in der Erich-Weinert-Straße sind es Frauen-Maskaronen, die sich an die Fassade schmiegen. Manche haben eine Haarpracht aus Kastanien und tragen eine Art Diadem mit einem sechszackigen Stern. Im Gegensatz zu den Männerfratzen, die individuell gestaltet wurden, stammen die Masken hier aus einer industriellen Produktion. Zwölf Häuser gehören zu dem Jugendstil-Ensemble aus den Jahren 1903 bis 1904, zwei Baumeister haben mehrere Jugendstilgebäude entworfen.

Vielfach bekrönen die Frauengesichter Türumrandungen oder gerundete Fenstereinfassungen. Teilweise sind mehrere Fenster und florale Reliefs über zwei Geschosse durch geschwungene Umrandungen zusammengefasst, über denen die Frauengesichter mit unterschiedlicher Mimik schweben. In der DDR-Zeit wurde manche Fassade "überarbeitet", an den übrigen Jugendstilhäusern blieb viel Fassadenschmuck erhalten. Die Fassadenoberfläche ist meist quaderförmig unterteilt, das stammt wahrscheinlich noch aus der Bauzeit.


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Juweliergeschäft
Vor dem Haus Erich-Weinert-Straße 3 erinnert ein Stolperstein an Mendel Schenkein, der dort ein Geschäft als selbstständiger Juwelier betrieb und um die Ecke in der Scherenbergstraße wohnte. Er handelte auch mit Diamanten und anderen Edelsteinen, die er auf Reisen in Belgien einkaufte. In der Nazizeit wurde die Familie mit seiner Ehefrau und zwei Töchtern auseinandergerissen, er wurde nach Polen verschleppt und dort umgebracht.


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Seine Frau versuchte, das Geschäft weiterzuführen, musste dann aber 1939 mit den Töchtern nach England emigrieren. Der Stolperstein wurde 2011 in den Bürgersteig eingefügt.

UNESCO-Wohnstadt Carl Legien
An einem Eckgebäude an der Gubitzstraße verweist die Baugesellschaft GEHAG in einem sieben Meter hohen Schriftzug stolz auf die Wohnstadt Carl Legien, über die wir bereits 2007 berichtet hatten. Die als UNESCO Weltkulturerbe eingetragene Großsiedlung links und rechts der Erich-Weinert-Straße ist Ende der 1920er Jahre von Bruno Taut erbaut worden. Zu dem Komplex gehörten Wäschereigebäude, ein Kindergarten, eine Leihbücherei und ein Heizkraftwerk.


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Der Schauspieler Horst Buchholz war einer der prominenten Bewohner, Jugendidol, Typ des „zornigen, jungen Mannes“, der gegen die Welt der Erwachsenen aufbegehrt ("Die Halbstarken") und internationaler Filmstar. Mit Hauptrollen in Filmen wie Billy Wilders Komödie "Eins, Zwei, Drei", die 1961 vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts in Berlin spielte und wegen des Mauerbaus erst Jahrzehnte später ein Publikum fand. Als Synchronsprecher bei der Berliner Synchron wurde aus der Schauspielerei auch eine persönliche Beziehung.


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Pumpwerk
In der Berliner Kanalisation wurden nach dem Hobrechtplan von 1869 Abwässer in unterirdischen Kanälen gesammelt und durch 12 Pumpwerke in einem "Radialsystem" auf Rieselfelder außerhalb der Stadt gepumpt, durch 830 Kilometer Abwasserkanäle und 110 Kilometer Druckrohrleitungen. Von den sorgfältig gestalteten Technikbauten sind einzelne erhalten geblieben, so auch das Radialsystem XI in der Erich-Weinert-Straße, das 1909 als letztes Pumpwerk in Betrieb ging.


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Die Abwasserkanäle endeten dort in einem Sandfang, der mitgeführte Feststoffe zurückhielt. Mit Dampfkolbenpumpen wurde aus dem 10 Meter tiefen Behälter die Abwasser angesaugt und durch Druckleitungen zu den Rieselfeldern gepresst. Wegen der zunehmenden Belastung durch Schwermetalle wurden die Rieselfelder im Laufe der Zeit durch Kläranlagen ersetzt. Das Radialsystem in der Erich-Weinert-Straße war bis 2002 in Betrieb. Hinter der alten Halle arbeitet seitdem ein neues vollautomatisches, fernüberwachtes Pumpwerk. Der historische Bau wird als Eventlocation vermarktet.

Pianofabrik
Am östlichen Ende der Erich-Weinert-Straße - das Grundstück reichte ursprünglich bis zur Greifswalder Straße - ließ Oscar Köhler für seine "Piano-Mechaniken-Fabrik" 1900 ein ausgedehntes 5-stöckiges Fabrikgebäude aus rotem und gelbem Backstein erbauen. Das Fabrikgebäude erstreckt sich 90 Meter weit ins Hinterland. Im Jahr wurden dort 15.000 Pianomechaniken hergestellt und an Instrumentenbauer wie beispielsweise Steinway oder Bechstein geliefert zum Einbau in deren hochwertigen Instrumente.


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Die Produktion in der Köhler-Fabrik wurde irgendwann eingestellt, heute wird das Gebäude als "Goldpunkthaus" vermarktet, dort werden mehr als 2.500 qm Bürofläche vermietet.

Oscar Köhler hat wohl auch selbst Klaviere hergestellt, aber darüber ist wenig bekannt. In einem Piano-Forum berichtete vor mehreren Jahren ein Spanier, dass er ein Klavier von Oscar Kohler mit der Seriennummer 13267 besitzt, das in sehr guten Zustand ist. Sein Urgroßvater hatte es seinem Großvater geschenkt, heute spielt seine Tochter darauf. Bereits 1896 hatte Köhler an der großen Gewerbe-Ausstellung teilgenommen. Weitere Informationen zu Köhler und seinen Pianos sind rar.

Gertrud-Classen-Platz
Unter einem kleinen dreieckigen Platz an der Ecke Hosemannstraße - einer Restfläche zwischen drei kreuzenden Straßen - haben die Wasserwerke einen "Abwasserparkplatz" gebaut, der als Stauraum verhindern soll, dass bei Starkregen Abwässer in die Spree überlaufen und den Fluss verunreinigen. Durch den Bau wird das Rückstauvolumen in den vorhandenen großen Kanälen erhöht, er ist Teil eines Stauraumprogramms für die Innenstadt. Für das benachbarte Abwasserpumpwerk des Radialsystems XI, das neben der Baustelle an der Erich-Weinert-Straße liegt, sind bereits ein automatisches Wehr und eine höhere Überlaufschwelle angelegt worden.

Nach Ende der Bauarbeiten wurde der Platz neugestaltet und nach der Bildhauerin Gertrud Classen benannt. Zwei ihrer Bildhauerwerke sind im Bezirk Pankow aufgestellt, der "Sitzende Junge" auf dem Platz wurde aber nicht von ihr, sondern von Werner Stötzer geschaffen. Der Knabe hat den Kopf in den Nacken gelegt und das Gesicht dem Himmel zugewendet, dahinter steckt eine kuriose Geschichte. Stötzer fand den von ihm modellierten Jungen stinklangweilig, nach einem Schlag ins Kreuz schaute dann der Kopf nach oben. Das in dieser Haltung ausgestellte Werk wurde so gedeutet, dass er "zum Sputnik hochguckt".


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Werner Stötzer hatte 1974 auch im Film einen Bildhauer gespielt. "Der nackte Mann auf dem Sportplatz" schilderte die widerspruchsvolle Situation eines Künstlers in der DDR-Gesellschaft. Für einen Fußballclub soll er einen Sportler erschaffen, doch zum Erschrecken der Auftraggeber ist der Fußballer nackt, Sozialisten sind doch angezogen! Stötz spielt die Rolle des Bürgermeisters, auch die Skulptur des nackten Spielers hat er modelliert. Die Suche des Künstlers nach dem Platz in der sozialistischen Gesellschaft wird hier mit feiner Ironie aufs Korn genommen.

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Aufgeblasene Wangen, spitz zulaufende Teufelsohren