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Aufgeblasene Wangen, spitz zulaufende Teufelsohren |
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Stadtteil: Prenzlauer Berg Bereich: Winsviertel Stadtplanaufruf: Berlin, Heinrich-Roller-Straße Datum: 29. Januar 2025 Bericht Nr.:856
Prenzlauer Allee und Greifswalder Straße streben als Radialstraßen von der Mitte Berlins sternförmig über die nördliche Stadtgrenze hinaus. Zwischen Danziger Straße und Heinrich-Roller-Straße bilden sie ein Trapez, das mittig von der Winsstraße geteilt wird. Die Spree liegt in der Mitte der Stadt in einer Vertiefung (Urstromtal), bis zur Hochebene des Barnim nördlich von Berlin steigt das Terrain kontinuierlich an. 11 Meter - von 46 m zu 57 m - beträgt allein der Höhenunterschied, den man auf der Immanuelkirchstraße auf einen knappen halben Kilometer zwischen den Radialstraßen messen kann.
Im Hof der Prenzlauer Allee 36 sehen wir einen Terrainsprung zum rückwärtigen Grundstück Winsstraße 59, das eine ganze Hausetage tiefer liegt - nicht verwunderlich, aber selten so klar zu sehen, meist kaschiert die Bebauung die Niveauunterschiede. Im offenen Gelände ist der Versprung auffallender wie beim "Berliner Balkon" in Kaulsdorf.
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Schon Franz Hessel, der "Vater der Flaneure", wurde beim Schlendern durch die Straßen von misstrauischen Blicken seiner Mitbürger begleitet, das ist heute noch ganz genauso. Türen und Tore bleiben zu, wenn wir interessiert hereinschauen, nur selten werden wir freundlich angesprochen. Heute ist einer dieser Glückstage, wo sich uns wie magisch die Tore öffnen, ja wir sogar hereingebeten werden.
Elektropolis im Prenzlauer Berg Von der Straße aus lässt sich nicht erahnen, dass sich in den beiden Hinterhöfen eines unscheinbaren Mietshauses in der Prenzlauer Allee 33 zwei eindrucksvolle Bauten der Berliner Elektrizitätsgeschichte befinden. Das ältere der beiden sehen wir vom Nachbargrundstück aus, es schließt den 2. Hof ab. Es ist eine fast 120 Jahre alte Unterstation, mit der der von den Kraftwerken gelieferte Drehstrom für Haushalte, Betriebe und Straßenbahn in Gleichstrom umgewandelt wurde. Die 1881 erstmals von Werner von Siemens in Lichterfelde eingesetzte "Elektrische" war um 1900 ausgereift, elektrische Straßenbahnnetze mit Oberleitungen durchzogen die Stadt und wurden mit 750 Volt Gleichstrom betrieben.
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Die Transformatoren und Schaltanlagen sind in der Prenzlauer Allee 33 nicht mehr vorhanden, die Nachnutzung zu Wohnzwecken lässt aber die ursprüngliche Nutzung erahnen. Stahlträger und geflieste Kappendecken blieben als Stilelemente erhalten. Im Treppenhaus wurde eine Fahrstuhlanlage geschickt ergänzt. Ein technisch gleichartiges Umformwerk befindet sich in der Wilhelmshavener Straße in der Nähe des Kraftwerks Moabit. Die Anlagenteile wurden von Siemens im Schaltwerk Nonnendammallee hergestellt.
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Alles Müller oder was? Ein Paar auf Wohnungssuche wird vom Makler erwartet, und als er unser Interesse an den Bauten bemerkt, bitte er uns mit dazu. Der Wohnungssuchende heißt Müller, der Makler heißt Müller und der Architekt, der den zweiten Bau im Hof errichtet hat, ist Hans Heinrich Müller, BEWAG Hausarchitekt in den 1920er Jahren. In dieser Zeit hat er 40 Bauten für die Stromversorgung erbaut, schon allein das ist eine unglaubliche Leistung.
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Seine Gebäude sind phantasievoll inszeniert, seine typische Architektursprache wird auch hier mit vertikal betonten Fensterbändern und orientalischen Spitzbögen sichtbar. In der hervorspringenden Ummauerung reichen Fensterschlitze über die ganze Höhe der Fassade. Ein Erschließungsturm über Eck endet in einem nach innen weisenden Spitzbogen, dessen Steine invers treppenförmig angeordnet sind. Zwei Austritte sind wie Balkons in die Wandöffnung eingehängt. Die Station lief automatisch, sie war bedienungsfrei.
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Höfe im Prenzlauer Berg Die tief ins Hinterland reichenden Grundstücke sind meist mit mehreren Gebäuden hintereinander bebaut, so dass sich mehrere Höfe aneinanderreihen. Das Grundstück Prenzlauer Allee 34 wurde für einen Knopffabrikanten bebaut. Es hat drei Seitenflügel, zwei Quergebäude und die alte Knopffabrik im Hinterhof.
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Die Frankonia-Höfe in der Prenzlauer Allee 36 sind nach einem Hersteller von Jagd- und Sportwaffen benannt. Das Grundstück ist mehr als 6.000 qm groß. An der Straße beginnt ein Wohntrakt mit 3 Aufgängen, an den sich ein Gewerbetrakt mit 2 Aufgängen und ein weiterer Wohntrakt mit drei Aufgängen anschließt. Beim Umbau sind 73 Eigentumswohnungen und eine Dachterrasse realisiert worden. "Der individuelle Charme der alten Fabriketagen ist in allen Wohnungen greifbar" (Maklersprech).
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Immanuelkirchstraße Die Immanuelkirchstraße verläuft abschüssig zwischen Prenzlauer Allee und Greifswalder Straße, durchtrennt von der Winsstraße. Die Immanuelkirche wurde 1893 eingeweiht, das Grundstück hatte die Bötzow-Brauerei der Gemeinde geschenkt. Im Immanuelkirch-Carrée gegenüber der Kirche - einem Wohnkomplex von 1897 - wurden 67 Eigentumswohnungen geschaffen, "ein Paradebeispiel für die Gentrifizierung". Hier blieben uns die Eisengitter verschlossen.
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Hutfabrik Heinrich-Roller-Straße Einladender wird es dann wieder in der Heinrich-Roller-Straße. Bei der ehemalige Hutfabrik Scheier & Herz finden wir wieder ein offenes Tor, es wäre auch schade gewesen, diesen Innenhof nicht zu sehen. Der Bildhauer Georg Herold - zuletzt Schöpfer von großformatigen Bronzeskulpturen - hat dort eine 6 m hohe Bronzefigur aufgestellt, die seinem Credo folgt, "mehrdeutig zu sein und viele Interpretationen in viele Richtungen zuzulassen“, Eine männliche Figur, eine in den Himmel weisende Eisenstange zwischen den Beinen, man kann das als erotische Darstellung lesen oder vielleicht an Don Quijote mit seiner Lanze denken.
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Die Fabrik- und Wohngebäude zur Herstellung von Mützen, Hüten und Pelzwaren, die Scheier & Herz um 1900 erbauen ließen, lagen sozusagen in einem "Mützenviertel". Die Hutfabrik Silber & Brandt produzierte seit 1896 in der Pappelallee, im Prenzlauer Berg gab es mehrere kleine Fabriken und Manufakturen, die Textilien, Knöpfe und Mützen herstellten. Das Fabrikgebäude hatte im Erdgeschoss ein Musterzimmer, im 4. Stock arbeitete für Sonderwünsche der Kundschaft die "Werkstatt für Fantasieartikel". Die jüdischen Firmeninhaber emigrierten in der Nazizeit. Im Zweiten Weltkrieg wurden Uniformen hergestellt. Heute enthält das Firmengelände 50 Lofts für Wohnen und Gewerbe und eine Tiefgarage für 31 Fahrzeuge.
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Heinrich Roller Kurz ein paar Notizen zum Namensgeber Heinrich Roller. "Seine Kindheit verbrachte er zu großen Teilen am Spulrad seines Vaters, er war der Sohn eines Kunstwebers". Heinrich Roller war gelernter Tischler, Sozialdemokrat, Freireligiöser, Schriftsteller und Volksdichter. Beim „Eisenbahnkönig” Bethel Henry Strousberg arbeitete er als Privatsekretär. Und er war Stenograf, seine Kraft und Hingabe galt der von ihm entwickelten Kurzschrift, einer "einfachen, in wenigen Stunden erlernbaren Stenographie für den Schul-, Korrespondenz- und parlamentarischen Gebrauch". Sein Lehrbuch lässt vermuten, dass das Erlernen der auf vielen kleingedruckten Seiten verzeichneten Anwendungsregeln tatsächlich etwas länger dauerte.
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Heinrich Roller verdanken wir eine Schilderung der damaligen "Schaulustbarkeiten" der Berliner: "Illuminationen, Fontainen, Feuerwerk, Künstlergruppen, Wasserfälle, Alpenglühen, Tyroler Sänger, Zigeunerkapellen, Konzerte, Chansonetten, Soubretten und Opernsängerinnen, Equlibristen, Akrobaten, Seiltänzer, Luftballonfahrten mit waghalsigen Trapezkunststücken, Schnellzeichner, Concertmaler, Xyklophonisten, Tableau-Plastiker, Riesen, Zwerge, Mimiker, Komiker, gelehrige Ochsen, dressierte Schweine, Burlesken". Es war eine kreative, reale Welt, die ohne virtuelle Plattformen auskam.
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Bürogebäude mit Architekturbeton Das Bürogebäude Greifswalder Straße Ecke Heinrich-Roller-Straße mit seiner Fassade aus Architekturbetonteilen "findet bei internationalen Architekturpreisen besondere Anerkennung". Die Sichtbeton-Fertigteile der Fassade bilden ein "zusammenhängendes, dynamisches, organisch fließendes Gewebe". Weniger begeistert äußern sich Mieteraktivisten über die Hauseigentümer und deren Firmengeflecht mit mehr als 50 Gesellschaften mit Namen wie Adrenalina oder Bermuda. Denen sollen 2.000 Häuser in Berlin gehören - überwiegend Altbauten -, die wenig mieterfreundlich verwaltet werden.
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Maskarone - Fratzengesichter An einem Jugendstil-Bau an der Immanuelkirchstraße 3-4 darf man nicht vorbeigehen. Eine besondere Ausprägung des Fassadenschmucks - das Fratzengesicht (Maskaron) - ist hier in einer Überzahl auf der Straßenfassade (acht Mal) zu finden. Und alle haben ein individuelles Aussehen, sind keine Exemplare aus industrieller Herstellung, wie es sie damals (um 1910) oft gab. Im Innenhof sind die Gesichter einheitlicher in die Wandfliesen integriert.
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Fratzen sind keine Erfindung des Jugendstils, werden aber hier aus typischen Jugendstilformen wie Blüten, Blättern und Voluten (schneckenförmigen Elementen) zusammengesetzt. Diese Fabelwesen mit menschenähnlichem Antlitz sind reine Zierde. Sie kommen grotesk, manchmal schreckeinflößend daher, mit Haaren aus Ranken, einem Riesenmaul, wulstigen Lippen und spitz zulaufenden Teufelsohren. Und sie sind nicht statisch, verzerrte Gesichtszüge, geöffneter Mund, aufgeblasene Wangen bringen die Masken in Bewegung.
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Ein Hunde-Selfie auf der Wand Ehrung für eine rumänischen Königin
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