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Drei Kreuze machen


Stadtteil: Pankow
Bereich: Niederschönhausen
Stadtplanaufruf: Berlin, Friedrich-Engels-Straße
Datum: 6. November 2017
Bericht Nr.: 606

In Kaulsdorf beeindruckt eine katholische Kirche mit einem 40 Meter hohen und 20 Meter breiten Turmbau aus Klinkersteinen. Errichtet wurde der mächtige Kirchenbau St. Martin in den 1930er Jahren. In Niederschönhausen stehen wir bei unserem heutigen Stadtrundgang vor einer Kirche mit ähnlich eindrucksvollem Format, und wieder ist es ein katholisches Gotteshaus. Die Berliner Katholiken hatten 1929 einen Bischofssitz bekommen und dadurch neues Selbstbewusstsein gewonnen. Für beide Kirchenbauten wurde gesammelt, denn die Gemeinden waren arm. Die Innenräume beider Kirchen lehnen sich an die frühchristliche Form einer Basilika an. Beide Kirchen sind nach Norden ausgerichtet und nicht zur aufgehenden Sonne. Der Begriff "Orientierung", der heute für jede Richtung verwendet wird, bezog sich ursprünglich auf die Ostausrichtung der Kirche, zum "Orient". Die meisten Kirchenbauten nehmen diese Himmelsrichtung auf, außer wenn der Bauplatz Einschränkungen vorgibt.

Kirche St. Maria Magdalena
Der Turm der Kirche St. Maria Magdalena ist mit 27 Metern etwas höher als ein Berliner Mietshaus. Das wuchtige Format wird durch die diagonal vorgezogenen Ecken gemildert. Wie offene Arme wirken sie, die die Schäfchen in das Gotteshaus locken. Der Architekt Felix Sturm war Gemeindemitglied, von ihm ist nur ein weiteres Bauwerk in Berlin bekannt, eine expressionistische Villa in Frohnau.


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Mit Klinkersteinen, die sich aus der Fläche herausbegeben, hochkant oder über Eck versetzt sind, gab er der Oberfläche Struktur und Relief. Sein expressionistischer Kirchenbau wird mit Bauikonen wie Fritz Högers Chilehaus in Hamburg verglichen. Sturms Bau aus den 1930er Jahren steht gegen den Zeitgeist, waren doch die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg von der Neuen Sachlichkeit geprägt.

"Soli Deo Honor" – Gott allein die Ehre - steht über dem Kirchenportal. Bis ein ansprechender Kirchenbau geschaffen wurde, vergingen mehr als zwei Jahrzehnte, in denen die Gemeinde sich mit mehreren Notlösungen behelfen musste. Eine Zeit lang war ein Schuppen mit angrenzendem Kuhstall die Herberge, der die authentischen Gerüche wie beim Christkind in der Krippe vermittelte. Vor der Kirche steht ein Gedenkstein für den Gemeindepfarrer Lenzel, der sich in der Nazizeit für polnische Zwangsarbeiter aus Schönholz einsetzte und eigene Gottesdienste für sie veranstaltete. Er starb als Märtyrer im Konzentrationslager Dachau.

In das "Sündenbabel Berlin gehört eine Kirche, die der großen Büßerin Maria Magdalalena geweiht sein müsse", hatte ein Dominikanerpater gefordert, und so geschah es dann auch. Vielleicht hätte man die Kirche in die Mitte der Stadt stellen sollen, um die Sünder zu beeindrucken, tatsächlich steht sie näher am nördlichen Ende, dem "Nordend". Das Relief über dem Kirchenportal zeigt "Noli me tangere" (berühre mich nicht). Das soll Jesus zu Maria Magdalena gesagt haben, als sie ihm nach der Auferstehung als erste begegnete. Er war zu diesem Zeitpunkt eine nicht mehr körperliche Erscheinung vor der Himmelfahrt.

Drei Kreuze machen, das ist Teil des katholischen Dankesgebets. Auf die Kirche St. Maria Magdalena hat der Architekt drei Kreuze mit bis zu 6 Meter Höhe gestellt. Der Seelsorger wollte das verhindern, er wollte nur ein Kreuz, konnte sich aber nicht durchsetzen. Für die drei Glocken wurden drei offene Schallfenster ("Klangarkaden") in den Turm eingearbeitet. Dreieckige Fenster zieren die Seiten des Turms. In der Kirche befinden sich dreiteiligen Seitenfenster, die "drei" beherrscht den Bau.


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Die Turmkreuze waren anfangs mit Blattgold belegt. Über ihre Symbolik hinaus haben sie eine technische Funktion, sie dienen als Blitzableiter, damit der Blitzstrahl vom Himmel das Gotteshaus nicht beschädigt.

St. Elisabeth-Stift
In der Pfarrer-Lenzel-Straße errichteten die Hugenotten - französisch-reformierte Kirche - in den 1920er Jahren ein Hospital, das heute zum St. Elisabeth-Stift gehört. Die Gottesdienste in der Hospitalkapelle wurden auch von Gemeindefremden besucht. Der Architekt, Stadtbaurat Franz Arnous, war ein Mitarbeiter von Ludwig Hoffmann, er hat bei dessen Krankenhausbauten in Buch mitgewirkt. Arnous lehnte sich an Hoffmanns schlichte, aber "baulich würdevolle" Formensprache an, mit Backsteinsockel und weißen Sprossenfenstern erstrecken sich seine Putzbauten weit in die Waldstraße hinein. Arnous war 10 Jahre später auch einer der Architekten des "Neuen Stadthauses", der Erweiterung des Alten Stadthauses, das Ludwig Hoffmann entworfen hatte.

Zwischen Pastor-Niemöller-Platz und Nordend
Wir sind nördlich vom Schloss Schönhausen zwischen Friedrich-Engels-Straße und Waldstraße unterwegs. In der Uhlandstraße ist ein Bau des Wasserwerks von 1903 erhalten, das zeitlich den Übergang des Dorfes Niederschönhausen zur Stadt markiert. Gut 20 Jahre lang versorgte es Niederschönhausen, dann wurde das kleine lokale Werk von größeren geschluckt. Es entwickelte sich ein suburbanes Wohngebiet mit Landhäusern, die auffallend viele Fachwerkelemente aufweisen. Gegenwärtig liegen einige unbebaute Grundstücke im Tiefschlaf, bei anderen laufen Bauvorbereitungen.

Siedlung Friedrich-Engels-Straße
Ein ganzes Straßenkarree zwischen Friedrich-Engels-Straße und Blumenthalstraße hat die städtische Baugesellschaft "Pankower Heimstätten GmbH“ 1930 mit Ein- und Zweifamilienhäusern als Häuserblocks bebauen lassen. Die Baublöcke sind mit Mauern verbunden, so dass eine geschlossene Anlage entstanden ist. Zu dem grünen Innenhof öffnen sich Balkons, die Haustüren sind von Rankgittern umgeben.


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Gutbesitzerclan von Treskow
In Niederschönhausen gibt es eine Treskowstraße und in Lichtenberg eine Treskowallee. Wenn man die hier Geehrten verwechselt, bleibt es in der Familie, denn beide Namensgeber waren Angehörige des Gutbesitzerclans von Treskow. Vom Verwandtschaftsverhältnis her waren sie Großvater und Enkel, hatten aber dieselben Vornamen "Johann Carl Sigismund".

Der Urgroßvater Sigmund Otto Joseph von Treskow (1756 - 1846) war der uneheliche Sohn eines von Treskow. Trotzdem schaffte er den gesellschaftlichen Aufstieg und wurde in den Treskowschen Adelsstand aufgenommen, ein ungewöhnlicher Lebenslauf zu seiner konservativ geprägten Zeit. Treskow machte mit Seidenblumen sein Geld und mit Uniformstoffen für das Militär. Er lieferte sogar an die französische Armee und an die Revolutionsarmee von George Washington. Washington soll ihn mit Wäldern am Mississippi belohnt haben, von Frankreich soll er einen 140-karätigen Diamanten als Pfand erhalten haben. Sogar als Diplomat wurde er an Napoleons Hof geschickt. Der Krieg zwischen Preußen und Frankreich setzte seiner Tätigkeit ein Ende.

Sein Sohn Carl (Johann Carl Sigismund von Treskow, 1787 - 1846) - in dieser Aufzählung der Großvater - ist der Namensgeber der Treskowallee in Friedrichsfelde. Mit seinem Vater hatte er sich überworfen, woraufhin dieser ihn enterbte. Carl heiratete eine Hugenottin mit reicher Mitgift, was ihm die Möglichkeit gab, das Rittergut Friedrichsfelde zu erwerben. Das Rittergut entwickelte er zum landwirtschaftlichen Mustergut. Er ließ den Park anlegen, der heute Tierpark ist. Im Erbbegräbnis des Parks fand er seine letzte Ruhestätte.

Sein Enkel ist der in Niederschönhausen mit einer Straßenbennung geehrten Sigismund (Johann Carl Sigismund) von Treskow (1864 - 1945). Von seinem Vater hatte er das Rittergut Friedrichsfelde und weiteren Grundbesitz in Karlshorst geerbt. Die Villenkolonie Karlshorst und die Rennbahn wurden auf ehemals Treskowschen Gelände angelegt, die Grundstücksverkäufe mehrten sein Vermögen. Er wurde Landrat in Niederbarnim, zu dem bis zur Gründung von Groß-Berlin die nördlichen Gemeinden wie Niederschönhausen gehörten. Während seiner Amtstätigkeit - es war die Zeit der industriellen Entwicklung - wurden Gesundheitssystem, Volksbildung, Kanalisation, Straßen- und Schienennetz ausgebaut. Nicht nur Niederschönhausen, auch Mahlsdorf und Heinersdorf ehrten ihn für seine Tätigkeit durch Straßenbenennungen.

Wegen der während der Nazizeit auf seinem Besitz in Friedrichsfelde und an der Wuhlheide errichteten Zwangsarbeiterlager beschlagnahmte die sowjetische Besatzungsmacht 1945 seinen Besitz. Er starb wenig später und wurde im Erbbegräbnis des Parks beigesetzt.


Für unser Flaniermahl fahren wir abends nicht noch einmal nach Niederschönhausen, sondern gehen zu unserem bevorzugten Griechen "Z" in der Kreuzberger Friesenstraße. Freundlich, zugewandt, schnell, erstklassiges Biofleisch und auf Wunsch Mikroportionen, wenn man seinen Magen am Abend nicht zu sehr belasten möchte, das gefällt uns.

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Unsere Spaziergänge im Umkreis:
> Nordend:
>> Ganz im Norden jottwehdeh und Vier Enden hat Berlin
> Schönholz: Messerstecher in der Heide
> Schloss Schönhausen, Majakowskiring: Sonderzug nach Pankow
> Rosenthal: Hier haben Türme keine Zukunft

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Unsere Route:
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Ganz im Norden jottwehdeh
Ein Strommast auf dem Schulhof