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Theaterkulisse oder Verkehrsbauten?


Stadtteil: Wedding, Reinickendorf
Bereich: U-Bahn U6, U9, U8
Stadtplanaufruf: Berlin, Osloer Straße
Datum: 27. März 2009

Über Stadterkundungen unter und über der Erde hatte ich früher schon geschrieben. Heute habe ich die Chance, mit einem Profifotografen (er arbeitet u.a. als Bildjournalist für ungarische Tageszeitungen) in den Untergrund zu gehen und neue Blickwinkel und Sichtweisen zu entdecken. Wir sind vom Leopoldplatz zur Osloer Straße und auf der Wittenauer U-Bahnstrecke unterwegs, alle von uns besuchten Bahnhöfe wurden von dem Berliner Stadtbaurat Rainer G. Rümmler gestaltet.

Rainer G. Rümmler war der Grenander des Nachkriegs-(West)Berlins. 30 Jahre lang hat er ab 1966 fast alle neu gebauten U-Bahnhöfe entworfen. In Leipzig geboren, wuchs er in Spandau auf, machte dort das Abitur, fing nach dem Ingenieurstudium in der Spandauer Bezirksverwaltung an, bevor er in die Senatbauverwaltung wechselte. Die U-Bahn von Möckernbrücke zum Rathaus Spandau gehört zu seinen größten Werken. In Spandau In den Kisseln ist er für die Ewigkeit in den Untergrund zurückgekehrt.

Rümmler war zunächst Stellvertreter des Architekten Bruno Grimmek, der in der Nachkriegszeit die viele U-Bahnhöfe im Stil strenger Sachlichkeit in der Nachfolge Alfred Grenanders gestaltet hat, die Bahnhöfe überwiegend in der Form ähnlich, aber mit einer eigenen charakteristischen Farbe als Erkennungszeichen.

Rümmler dagegen entwarf die Bahnhöfe als Einzelkunstwerke, bezog sich dabei auf die Umgebung oder den Stationsnamen. Nach anfänglich sehr schlichten Entwürfen folgte er in den 70er Jahren dem Zeitgeist und gestaltete im Pop-Art-Design. Immer pompöser wurden seine Bahnhöfe, mit Farben und Mustern. Der Architekturkritiker Falk Jaeger warf ihm eine "beispiellose Infantilisierung der Berliner Bahnhofsarchitektur" mit Sternchen, Blümchen, Bäumchen, Tieren und Sonnen vor und eine "Kakophonie von Farben und Formen" mit "angehefteten Ornamenten, wilden Mustern, und grellen Farben". Rümmlers Chef, der Bausenator Wolfgang Nagel sagte entschuldigend, sein Stil sei "nicht jedermanns Sache". So entwarf er weiterhin nach mancher Meinung eher Theaterkulissen als Verkehrsbauten, auf denen der U-Bahn-Verkehr eher störend wirkte.

Leopoldplatz ist unser erstes Ziel im Untergrund. Auf dem oberen Bahnsteig der U6 herrscht eine Farbe vor: gelb. Gelb sind die nackten dicht stehenden Eisenpfeiler, gelb die Fliesen, Plakatwände und Decken, gelb ist die U-Bahn. So monochrom war der Bahnhof nicht immer: Als er 1913 baulich fertig gestellt war, hatte er rote Fliesen. Zur Eröffnung 10 Jahre später (der 1.Weltkrieg kam dazwischen) wurde das meiste blau angemalt. Seine große Bedeutung bekam der Bahnhof 15 Tage nach dem Mauerbau, als die Abzweigung nach Steglitz eröffnet wurde. Mit ihr konnte man die Geisterbahnhöfe umgehen, die auf der U6 unter Ost-Berlin ohne Halt durchfahren wurden.

Mit der Trennung des U-Bahnnetzes hatten Ost- und West-Berlin dasselbe Problem: Ihnen fehlten Überführungstunnel, um Züge zwischen ihren Bahnlinien bewegen zu können, die entsprechenden Gleise lagen jeweils auf dem Gebiet des ungeliebten Bruders. So baute Ost-Berlin an der Klosterstraße und West-Berlin am Leopoldplatz entsprechende Tunnel.

Nauener Platz ist die nächste Station auf unserer Erkundungsfahrt. Hier war einmal französischer Sektor, deshalb ist der Bahnhof in den Farben der Trikolore blau-weiß-rot gestaltet. Aber auch im Wappen der namensgebenden Stadt Nauen sind ein weißes Wappenfeld mit blauem Fisch und roter Krone zu finden.

Der U-Bahnhof Osloer Straße ist die vorläufige Endstation der Steglitzer Linie, eine Verbindung nach Pankow war angedacht. Heute gibt es nur eine Abstellanlage für vier Züge, in die wir vom Bahnsteig aus mit dem Fotoapparat hineinschauen.

Auf der Wittenauer Linie fahren wir zum U-Bhf. Residenzstraße. Der Name verweist auf die Straßenverbindung von Oranienburg zur Residenz Berlin, dem Stadtschloss. Die Bahnhofswände wurden mit hellbraunen Fliesen verkleidet, einer Farbe, die vergilbtem Papier nahe kommen soll. Auf den Wandflächen sind Stadtbildnisse Berlins aus der Festungszeit dargestellt. Die mächtigen Kassettendecken werden von massiven Pfeilern mit bunten Ornamenten gehalten. Gegenüber der sonstigen Gestaltung wirken diese wirklich infantil.

Auf dem U-Bahnhof Paracelsus-Bad wird das Thema "Badehaus" gestalterisch verarbeitet. Überwiegend in Schwarz-Weiß-Tönen gehalten, mit abgestuften Art-Deco-Leuchtkästen an der Decke, der Wiederholung dieses Themas in den schwaz-weißen Rasterdecken. Mit den filigranen Säulenmustern an den Wänden ist der Bahnhof nach meiner Meinung ein gelungenes Gesamtkunstwerk, wenn man von den plumpen Pfeilern auf dem Bahnsteig absieht.

Der Bahnhof Lindauer Allee, der in den Farben hellblau, violett und gelb und grün gestaltet ist, ist in zweifacher Weise ungewöhnlich. Das eine ist eine Empore auf der Schmalseite, von die gesamte Station überblickt werden kann. Das andere ist eine "Zahnradbahn", ein Schrägaufzug, der die vergessenen Fahrstühle ersetzt und auf einer schiefen Ebene die Höhe zum Straßenniveau überwindet. Die Benutzung erfordert Geduld und Gelassenheit, deshalb wird der Aufzug sicherlich nur von Gehbehinderten genutzt.

Der Bahnhof Pankstraße, den wir als letztes besuchen, hat ebenfalls zwei Besonderheiten. Warum eigentlich wird Pankstraße hier mit "ss" geschrieben? Dieser Schreibfehler wurde in den mehr als 30 Jahren seit Eröffnung der Station nicht korrigiert. Die andere Besonderheit ist nur bei näherem Hinsehen zu entdecken: Der Bahnhof ist "gasdicht" und "strahlungssicher", wenn man die Streckentunnel und Straßenzugänge schließt. 3.300 Menschen können in diesem Luftschutzkeller 14 Tage lang untergebracht werden. Man kann dies aus der Zeitgeschichte verstehen: die Russen richteten zu dieser Zeit ihre Raketen auf Mitteleuropa, der Nato-Doppelbeschluss wurde von Bundeskanzler Helmut Schmidt vorbereitet. Ob der Schutzraum beim Angriff einer Atombombe standgehalten hätte ist fraglich, aber gegen konventionelle Angriffe bietet er sicheren Schutz. Hierzu verfügt er über Gasschleusen, Notzu- und Ausgänge, Lagerräume, Luftreinigungsanlagen und Notbetten.

Ein Glück, dass wir nicht 14 Tage lang auf braune Fliesen und einen falsch geschriebenen Stationsnamen schauen müssen. Wir beenden unsere Stadterkundung, indem wir an der Weinmeisterstraße wieder an die Oberfläche kommen.

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Hierzu gibt es einen Forumsbeitrag
Wedding, Theaterkulisse Verkehrsbauten (27.3.2009)

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