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Straßenpumpen, Brunnen und Abwasserkanäle


Stadtteil: Wedding
Bereich: Ortsteil Gesundbrunnen, Soldiner Kiez
Stadtplanaufruf: Berlin, Biesentaler Straße
Datum: 15. Februar 2023
Bericht Nr.:798

Nördlich und südlich der Osloer Straße sind wir heute im Ortsteil Gesundbrunnen unterwegs. Bis zur Bezirksreform 2001 gehörte Gesundbrunnen zum Stadtteil Wedding, seitdem ist Gesundbrunnen ein eigener Ortsteil neben dem Ortsteil Wedding. Die Gegend um die Badstraße hat dem Gesundbrunnen den Namen gegeben, aber auch der Soldiner Kiez nördlich der Osloer Straße gehört jetzt amtlich dazu. Die amtliche Festlegung ist das eine, der geschichtliche Zusammenhang das für uns entscheidende, wir verwenden hier "Wedding" im Sinne des früheren Bezirks.

Wappen von Berlin-Wedding
Die Stadt Berlin hat dem Bezirk Wedding 1955 ein Wappen verliehen, das bis 2001 gültig war. Durch die Bezirksreform verlor Wedding den Status als Berliner Bezirk und ging als Ortsteil in Berlin-Mitte auf. Das Wappen zeigt diagonal einen goldenen geflügelten Pfeil auf rotem Wappenhintergrund. Oben in Mitte der Mauerkrone steht der Berliner Bär. Die rote Farbe des Hintergrunds hatte die SPD als Symbol für den Berliner Arbeiterbezirk durchgesetzt.


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Ein Pfeil kann fliegen, eigentlich braucht er keine Flügel. Die Heraldik (Wappenkunde) sieht das anders, sie findet den Pfeil mit Flügeln nicht ungewöhnlich. Hergeleitet wurde die Wappendarstellung aus dem Emblem der Familie "de Weddinge", die im 13. Jahrhundert zwischen Elbe und Oder dörfliche Siedlungen und Burgen anlegten, darunter auch das Dorf Wedding.

Fabriken hinter Villen und Palästen
Wohnungen im Vorderhaus und Seitenflügel, Gewerbe im Hinterhaus und auf dem Hof - dieses Gefüge der Wohnungsbauten vor und nach 1900 wird als "Kreuzberger Mischung" bezeichnet, geht aber weit über den Bezirk hinaus und ist eher eine "Berliner Mischung". Typischerweise war das Vorderhaus mit bürgerlicher Fassade der Wohnraum für das Bürgertum, im tristen Seitenflügel wohnten Arbeiterfamilien auf engstem Raum, im Hof und Hinterhaus arbeiteten Fabriken oder kleine Gewerbe. Bei unserem Rundgang im Wedding nördlich und südlich der Osloer Straße haben wir mehrere Beispiele dafür gefunden, dass Villen, Palazzi und herrschaftliche Vorderhäuser ein eindrucksvolles Entree für die Fabriken im Hof bilden.

Villa Schott / Fuhrmann
Im Hinterhof der Wriezener Straße 10-11 wurden in einem Fabrikgebäude Zier- und Gebrauchsgegenstände aus Zinn im Gussverfahren hergestellt. Der Fabrikant Carl Ludwig Schott ließ sich 1881 an der Straße eine Villa erbauen, die zwischen den typischen Mietwohnhäusern in Blockrandbebauung äußerst ungewöhnlich ist. Der klassizistische Bau steht frei, über dem vorgezogenen Mittelrisalit mit Rundbogenfenstern und Säulen ist das Dach mit Vasen und Putten geschmückt. Die einheitlich wirkende Schaufassade ist tatsächlich in zwei Bauabschnitten errichtet worden, der Eingang befindet sich seitlich am Gebäude.


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Nach 1945 wird das Gebäude zur Villa Fuhrmann. Der Fabrikant Fritz Fuhrmann produziert im Hofgebäude Himbeersirup für Berliner Weiße. Später wird das Fabrikgebäude abgerissen. Und dann kommt der in der Nachkriegs- und Nachwendezeit typische Zugriff von Investoren, die historische Bausubstanz vernichten, um mit mehr Wohnfläche eine höhere Rendite herauszuholen. 1994 steht die Villa vor dem Verfall, weil die städtische Wohnungsbaugesellschaft Degewo "angesichts der leeren Kassen des Landes Berlin" die Instandhaltung unterlässt. Der drohende Verkauf an einen Investor mit nachfolgendem Abriss kann gerade noch verhindert werden. Der Verein Wildwasser, der gegen den sexuellen Missbrauch von Mädchen kämpft, sammelt Geld ein und kauft das Haus, die Denkmalstiftung gibt Geld zur Renovierung.

Werkzeugmaschinenfabrik Hasse & Wrede
Das Wohnhaus in der Osloer Straße 116a ist fünfgeschossig und mit acht Fensterachsen ungewöhnlich breit. Die Fassade hat drei Erker mit angrenzenden Balkons, in der Mittelachse schwebt ein Tympanon (Dreiecksgiebel) vor einem hohen Walmdach. Die seitliche Durchfahrt mit zwei Fahrspuren wird als Gebäudeöffnung nicht weiter betont. Dahinter öffnen sich in zwei Höfen Fabrikgebäude mit weißglasierten Klinkern. Reliefs zeigen Maschinen und Handwerksgerät wie Amboss, Zange und Hammer. Die Lagerhalle mit Kappendecken auf einer Stahlkonstruktion wird heute als Parkplatz genutzt.


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In Marzahn hat Hasse & Wrede zusammen mit seiner Muttergesellschaft Knorr-Bremse AG während des Zweiten Weltkriegs 1942 die damals größte Werkhalle Europas errichtet, mit Unterstützung des "Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt" Albert Speer. Dort wurden Rüstungsgüter produziert. An die Fabriken war ein Zwangsarbeiterlager angeschlossen, nebenan auf dem Parkfriedhof Marzahn sind Zwangsarbeiter aus den Fabriken beerdigt. Über die Nazizeit und die DDR-Zeit gibt es keine Verlautbarungen des Unternehmens.

Hasse & Wrede wollte nach der Wende 2017 die Produktion aus Marzahn nach Tschechien verlagern. Der Betriebsrat konnte das in Verhandlungen verhindern, dafür musste die Belegschaft Zugeständnisse machen, die "die betriebswirtschaftliche Lücke zu einer Verlagerungslösung fast ausgleichen". Diese Verlautbarung der Unternehmensleitung bedeutet auf gut Deutsch, dass Löhne und Versorgungsleistungen gekürzt wurden, um die Arbeitsplätze zu sichern.

Palazzo einer Hutfabrik
Wer kann heute noch den Hut ziehen? Hutlosigkeit ist modern, die Ära des Herrenhuts ist schon lange zu Ende gegangen. In der Kaiserzeit ging der Mann aus bürgerlichen Schichten nicht ohne Hut auf die Straße. Zu festlichen Anlässen wurden Zylinder getragen. Strohhüte waren nicht nur im Bürgertum Mode, auch Arbeiter ersetzten ihre Schiebermütze manchmal durch den Strohhut. Früher konnte die Pfeife als Accessoire einen Mann charakterisieren oder der Hut, den er trug, doch das ist vorbei und damit die Zeit, als man mit der Herstellung von Herrenhüten reich werden konnte.

Die Brüder Gattel konnten sich 1891 einen Palazzo als Wohngebäude vor ihre Hutfabrik in der Prinzenallee bauen lassen, und hinter den zwei Fabrikhöfen hatten sie einen Privatgarten, der sich bis zur Panke erstreckte. Das Vorderhaus mit dem wuchtigen Erker in der Mittelachse zitiert natürlich nur den Stil eines italienischen Palazzo. Die Pilaster (Wandpfeiler) am Erker verjüngen sich nach unten, ein Zitat barocker spanischer "Hermenpilaster". Weiteres Stilelement ist die Putzfassade, die im 1. Stockwerk rustiziert (durch Fugen unterteilt) ist. Über den Fenstern gibt es nicht nur Fensterverdachungen in Dreiecksform, auch üppig mit Vasen beladene kleine Dächer sind dort zu finden (siehe Titelbild oben). Die Toreinfahrt unter einem Rundbogen erstreckt sich über zwei Etagen.

Sonderbare Bauten
Der Vorbau eines Cafés an der Bellermannstraße sieht aus wie die misslungene Schöpfung eines Heimwerkers, der ein Gewächshaus vor Augen hatte. Bewusst so gebaut oder heftig fehlgeschlagen - das Café hat mit dem Namen "Malör" auf das Malheur reagiert.

An der Wriezener Straße nördlich der Osloer war ab 2016 vier Jahre lang ein stark baufälliges und verlassenes Holzhaus aus den USA zu Gast. Die Bürgerrechtlerin Rosa Parks hatte das Haus ihrer Tante vor dem Verfall gerettet und nach Berlin verschiffen lassen. Ist das Haus symbolisch ein Flüchtling? Warum wurde es ausgerechnet im Wedding aufgebaut? Wir wissen es nicht. Nach vier Jahren kam es jedenfalls in die USA zurück nach Rhode Island, um nach weiteren zwei Jahren wieder in Europa mutmaßlich im Königlichen Palast in Neapel aufgestellt zu werden.


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Freilichtmuseum Biesentaler Straße
Bleiben wir zunächst bei der Architektur: Die Biesentaler Straße im Soldiner Kiez ist eine Art Freilichtmuseum mit Bauten der frühen Gründerzeit, alle Baudenkmale sind in den drei Jahren von 1874 bis 1876 entstanden. In dieser Periode entwerfen in Berlin meist Bauhandwerker die Häuser, als Baumeister haben sie ihre architektenähnliche Ausbildung in Baugewerkschulen erhalten. In der Biesentaler hat mancher Baumeister nicht nur ein Gebäude, sondern mehrere erschaffen.

Auch bei der Architektur selbst finden sich Wiederholungen: Mehrere Bauten sind in drei Bereiche gegliedert, wobei die turmartig überhöhten Seitenachsen einen niedrigeren Mittelbereich mit weniger Etagen flankieren. Bei der Fassadengestaltung finden sich Dreiecksgiebel, Ornamente, Säulen, Stützen, weibliche Figuren, Putten und Putzfassaden, die in einer Etage rustiziert (durch Fugen unterteilt) sind.


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Das Städtchen Biesenthal
Von der Osloer Straße über Bürgerpark, Karower Teiche, Berlin-Buch und zum Barnimer Land nach Bernau führt der Pankeweg ins Städtchen Biesenthal. Für die Benennung einer Straße im Soldiner Kiez hat man diesen Namen ausgewählt, aber das stimmlose "h" aus dem Ortsnamen weggelassen. Das Dehnungs-"h" kann man nicht hören, also schreibt man es nicht. So hat Berlin schon 1873, als die Straße ihren Namen erhielt, die Rechtschreibreform von 1996 vorweggenommen, denn seitdem wäre das richtig - nur nicht bei Eigennamen. Die fallen aus den geänderten Rechtschreibregeln heraus, deswegen trägt z.B. die Straße, in der das Schloss steht, weiterhin ihre Schreibweise Schloßstraße mit "ß" statt Doppel-"s".

Nur der Po gehört aufs Klo
So reimen die Wasserwerke in der Bellermannstraße die Bitte, die Toilette nicht als Müllkippe zu benutzen. Endlich mal wieder ein Reim in der Werbung, das haben wir lange vermisst seit "Und der Orje sagt zum Kulle / Haste nich ne Paechbrot-Stulle". Heute setzt die Werbung auf Einhämmern ("Kitschimera Reizdarm"), großspurige Versprechen und multimediales Beballern, aber die Werbesprüche aus der U-Bahn können wir noch nach Jahrzehnten aufsagen.

In der Bellermannstraße arbeitet eine von insgesamt sechs Berliner Kanalbetriebsstellen am Ort des ehemaligen Radialsystems X. Die Kanalisation für Berlin wurde 1869 von James Hobrecht mit 12 Pumpwerken angelegt. Das "Radialsystem" brachte die in unterirdischen Kanälen gesammelten Abwässer auf Rieselfelder außerhalb der Stadt. Von der Bellermannstraße wurde das Abwasser auf die Rieselfelder in Berlin-Buch gepumpt. Rieselfelder gibt es nicht mehr, heute pumpen Kanalbetriebsstellen die Abwässer zu Klärwerken.

Kanalisation
Die Berliner Innenstadt wird über Mischwasserkanäle entwässert, in denen sich Regen- und Schmutzwasser gemeinsam sammelt. Bei Starkregen läuft die Mischwasser-Kanalisation über, mit Regen verdünntes Schmutzwasser wird dann ins nächste Gewässer eingeleitet, im Wedding ist das die Panke. Um das zu vermeiden, legen die Wasserwerke Rückhaltebecken für Regenwasser an und Stauraumkanäle. Solche Anlagen sind beispielsweise an der Thermometersiedlung in Lichterfelde, an der Kreuzkirche in Wilmersdorf, im Nordbahnviertel an der Panke in Betrieb.

An der Bellermann- Ecke Grüntaler Straße kommen drei Mischwasserkanäle - jeder ein bis zwei Meter hoch - zusammen, eine 10 Meter lange Überlaufschwelle gibt bei extremem Regen die Einleitung in die Panke frei. Durch umfangreiche Baumaßnahmen unter der Erde ist gerade zusätzliches Rückhaltevolumen geschaffen worden, indem man die Schwelle erhöht hat.

Straßenpumpen und Brunnen
Auch die Wasserversorgung kommt bei unserem Rundgang in den Blick. Fünf Straßenpumpen zählen wir, darunter eine historische gusseiserne Pumpe, wie sie seit 1890 in verschiedenen Formen und vielfältig verziert aufgestellt wurden. Die Pumpe in der Wriezener Straße hat einen kegelförmigen Aufsatz, der Auslauf wird durch ein Schmuckelement in Form des Stadtwappens geführt. Die anderen Pumpen auf dem Rundgang sind preiswerte, schmucklose, funktionale Rohre mit angesetztem Wasseraustritt und aufgesetzten Schwengel.

Die Schwengelpumpen zapfen das Grundwasser an und dienen zur Notversorgung der Bevölkerung, wenn in der Wohnung an der Zapfstelle kein Wasser mehr ankommt. Lange Schlangen haben sich z.B. 1920 während eines Generalstreiks vor den Pumpen gebildet. Gut 2.000 "Notwasserbrunnen" gibt es in Berlin, davon sind 400 nicht betriebsfähig, einige stehen als Brunnenkörper ohne Funktion an touristischen Plätzen in Berlin, sie sind historische Denkmale. Es gibt "Bundesbrunnen" für den Verteidigungsfall und "Landesbrunnen" für den Katastrophenfall, die Abgrenzung kann berlintypisches Zuständigkeitsgerangel auslösen.


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Aus der Zeit vor dem Bau der städtischen Wasserversorgung stammt ein Brunnen, der im Seitenflügel eines Hauses in der Osloer Straße entdeckt wurde. Der kreisrunde Brunnenschacht ist mit Backsteinen ausgemauert. Der nach der Entdeckung mit Sand verfüllte und mit einer Betonplatte verschlossene Brunnen ist als Bodendenkmal registriert, kann aber nicht besichtigt werden. In der Wöhlertstraße in Mitte haben wir einen Rohrbrunnen aus den 1870er Jahren entdeckt, der auf öffentlichem Straßenland beschädigt und vermüllt vor sich hin trauert.

Lückekinder
Ein kleiner Park an der Biesentaler Straße gehört als Außenbereich zum Verein PUTTE e.V. in der Prinzenallee, einem "Projekt für Jugendliche und Lückekinder". In welche Lücke sind diese Kinder gefallen, geht es um Trennungskinder oder Patchworkfamilien? Beides nicht, die "Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz" klärt auf, es geht um die Entwicklung zwischen Kindsein und Erwachsensein, um "nicht mehr Kinder" und "noch nicht Erwachsene". Es ist die Lebensphase der 10- bis 14-Jährigen, die sich abwechselnd in kindlichem, jugendlichem und erwachsenem Verhalten ausprobieren. Lost in Transition (verloren im Übergang)?

Erwachsene, die die Lückekinder begleiten, beschäftigen sich beispielsweise mit der "Analyse einer vergessenen Gruppe", mit der Aufarbeitung von Gewalt, auch sexueller Gewalt, den Aneignungsprozessen im öffentlichen Raum (Treffpunkte, Umfunktionierung von Plätzen), den Gefahren des Internets oder auch der gar nicht so banalen Frage "Wie lange darf mein Kind abends ausgehen?".


Mit diesen Fragen, die bei den eigenen Kindern Vergangenheit sind, aber jetzt bei den Enkeln wieder auftauchen, lassen wir uns an der Prinzenallee zu einer Coffe-Time nieder.
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Sie können diesen Stadtspaziergang fortsetzen:
> zur Heilquelle in der Badstraße
Einfach nur nass
> zum Soldiner Kiez und der Prinzenallee
Abseits des Mainstreams
> zur Gartenstadt Atlantic und zur Grüntaler Straße, in der früher die Bahn ebenerdig fuhr,
Stettiner Bahn in Ost und West
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Unsere Route:
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