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Eine Düne wird ausgebuddelt


Stadtteil: Mitte
Bereich: Wedding
Stadtplanaufruf: Berlin, Scharnweberstraße
Datum: 14. Juni 2025
Bericht Nr.:863

Das scheint eine absonderliche Handlungsweise von Menschen zu sein: Natur zu bekämpfen, um Natur zu bewahren. Welche Natur? fragt man sich. Landschaftsplaner kennen die Gestaltungskraft von Wind und Vegetation, die ihre Entwürfe bedrohen, wenn nicht immer wieder nachgeschärft wird. Für das zur Interbau 1957 geschaffene Hansaviertel hatte die Landschaftsarchitektin Herta Hammerbacher den zentralen Bereich um den Hansaplatz in einen Landschaftsgarten mit sanft gewellter Oberfläche verwandelt. Die dadurch entstandene Muldenbildung hat ihr den liebevollen Beinamen "Mulden-Herta" eingebracht. Genau wie die Anordnung ihrer Gehölze ist davon heute nichts mehr sichtbar, weil es nicht als Teil eines Konzepts begriffen wurde: Der Wind hat die Mulden zugeweht, die Bepflanzung wurde nicht in ihrer Einzigartigkeit bewahrt.

Ein anderes Ringen mit der heutigen Natur um einer früheren Ausprägung willen haben wir beim "Tag der Stadtnatur" im Wedding betrachtet. Dort ist unter einer dicken Vegetationsschicht eine Düne herausgeschält worden, die vor 12.000 Jahren entstanden ist und zum Ausläufer der Rehberge gehört. Die Eiszeit hatte zwischen den Höhenzügen des Barnim und des Teltow ein Urstromtal geschaffen mit ausgedehnten vegetationsfreien Zonen an dessen Rändern. So bildeten sich die Dünenlandschaften der Rehberge und der Düne Wedding.


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Im Laufe der Zeit entstanden natürliche Vegetationszonen, andererseits veränderten menschliche Eingriffe die Flächen, die vorher über einen längeren Zeitraum sich selbst überlassen waren. Der vom Wind verwehte feine Dünensand störte die umgebenden Wohnsiedlungen und Weideflächen, Bepflanzungen sollten das verhindern. Manche Dünen wurden zu militärischem Übungsgelände. Sandfuhrleute transportierten das feinkörnige, als Scheuersand geschätzte Material ab.

Bevor chemische Scheuermittel Einzug hielten, verwendete man Scheuersand, um robuste Oberflächen wie beispielsweise Dielenböden durch ein natürliches Schleifmittel zu reinigen. Es handelt sich um ganz besonders fein gemahlenen Sand, der überwiegend aus Quarz besteht.

Die (nicht mehr sichtbare) Düne wurde wiederentdeckt und 1976 als Naturdenkmal eingetragen. 2002 folgte eine Erhaltungsverordnung des Senats, die Gesetzeskraft hat. Sie schützt "das Relikt einer nacheiszeitlichen Dünenlandschaft mit der Bodengestalt der Düne, der typische Bodenart des nährstoffarmtrockenen Sandes und der für Dünen typische Vegetation". Und sie forderte den "Rückbau aller Anlagen, die den Dünencharakter überformen".

Das war der Startschuss, um die Düne wieder auszubuddeln. Fachfirmen trugen die obere Vegetationsschicht ab, 80 Bäume wurden gefällt. Nur die für die Landschaftsform der Binnendüne typischen Baumarten Waldkiefer und Eiche blieben erhalten. Breitkronige, pinienartig gewachsene Kiefern und Krüppelformen der Kiefer bestimmen heute das markante Bild der Düne wie ein Logo.


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Dann begann eine Gruppe freiwillige Umweltschützer mit graben, hacken, jäten und intensiver Pflege, um mit dünentypische Pflanzen die gewünschte Beschaffenheit auf dem Naturdenkmal herzustellen. Daraus ist eine NABU Bezirksgruppe geworden, die auch den Zugang zum Gelände regelt und für das Marketing - die Darstellung nach außen - verantwortlich ist. Dazu gehören auch die Führungen wie heute am "Tag der Stadtnatur".

Die Düne liegt im urbanen Innenstadtbereich, umgeben von einem Baumarkt, einer Tankstelle und Wohn- und Geschäftshäusern. Sie ist so groß wie 5 Fußballfelder. Direkt angrenzend wurde eine Gartenarbeitsschule eingerichtet. Eine Umzäunung schützt das Gelände, damit die Düne nicht flachgetreten wird und als Liegewiese für grillende Stadtbewohner zweckentfremdet wird. "Insbesondere ist es verboten, die Düne zu betreten", regelt die Erhaltungsverordnung. Müsste das nicht auch für die Veranstalter der Dünenführungen gelten? Munter führen sie heute mehrere Gruppen herauf auf die Düne und lassen sie im Gänsemarsch umrunden.

Zurück zu der eingangs gestellten Frage "Natur versus Natur" oder: Wie ursprünglich ist das, was uns gezeigt wird? Bei Bäumen war es einfach, man musste nur die nicht passenden entfernen. Originäre Pflanzen werden aber beim Ausbuddeln nicht mehr vorhanden gewesen sein, also rekonstruiert man, was dünentypisch ist und siedelt es auf dem Naturdenkmal an, beispielsweise Scharfen Mauerpfeffer und Zypressen-Wolfsmilch. Naheliegend ist, den Botanischen Garten um Unterstützung zu bitten und auch von einem Baugrundstück in Zehlendorf sind zuletzt Wildpflanzen hinzugekommen.

Auch ein Findling ist passend, er ist schließlich ein weit verbreitetes Überbleibsel der Eiszeit. Am Fuß der Düne wird stolz als Naturdenkmal ein Findling präsentiert, der von einem Baugrundstück an der Aroser Alle stammt. Viel Natur und ein bisschen Inszenierung, die Düne Wedding als ziemlich einmaliger Überrest aus einer Zeit vor unserer Zivilisation ist ein eindrucksvoller Ort.


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