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Zudringliche Zimmerwirtin


Stadtteil: Mitte
Stadtplanaufruf: Berlin, Luisenstraße
Datum: 12. Dezember 2006

Als es noch keine Singles gab, sondern möblierte Herren, man sich also als Student bei einer Zimmerwirtin einmietete, wohnte 1887 bis 1888 in der Luisenstraße nahe der Charité ein später berühmter japanischer Mediziner, Literat und Philosoph: Mori Ogai. Er studierte vier Jahre lang in Berlin, lernte die deutsche Sprache. Fast unglaublich, dass er neben seinem Medizinstudium begann, deutsche und deutschsprachige Literatur ins Japanische zu übersetzen.

In Japan dann wurde er der oberste Militärarzt, aber auch der Präsident der Kunstakademie. Zu seinem Lebenswerk gehören Übersetzungen von Goethes Faust, Lessing, Schiller, Kleist, Hoffmann, Hauptmann aber auch Schnitzler, Ibsen, Strindberg, Wilde. Auf der Gedenktafel am Haus Luisenstraße rühmt man ihn als Mitbegründer der modernen japanischen Literatur und als ersten japanischen Übersetzer deutscher Literatur.

Die Gedenktafel hängt ausgerechnet an diesem Haus, das er fluchtartig wieder verließ, als er eine neue Bleibe nahe dem Hygieneinstitut gefunden hatte. Die 40-jährige Wirtin und ihre Nichte waren nicht nur äußerst schwatzhaft und ungebildet, sie traten ihm auch zu nahe, "wobei ihre Absichten auf den ersten Blick zu durchschauen waren". Die 17-jährige Nichte pflegte sich abends "nichts auf dem Leib als das Hemdchen" auf sein Bett zu kauern, und "die Wärme ihres Körpers drang durch meine Steppdecke hindurch". Er widerstand den Verlockungen, in seiner autobiographischen Erzählung "Vita Sexualis" (Kapitelüberschriften: "Als ich sechs war", "Als ich sieben war" usw) hat er sich literarisch damit auseinander gesetzt.

1989 wurde sein Erstlingswerk "Die Tänzerin" in Berlin verfilmt. Es geht um die Geschichte seiner deutschen Freundin, die ihm nach Japan folgte, von seiner Familie nicht akzeptiert wurde und nach Deutschland zurückging. Solche Begegnungen verschiedener Kulturen waren damals die Ausnahme, in der heutigen globalisierten Welt sind solche Konflikte und Entwurzelungen viel häufiger anzutreffen.

Bescheidenheit zeichnete Mori Ogai bis zum Schluss aus. In seinem Testament verfügte er: "Tod ist eine ernste Angelegenheit, die alles abbricht. Keine Macht der Obrigkeit kann ihm, denke ich, Widerstand leisten. Als bloßer Mori Rintaro aus der Provinz Iwarni will ich sterben. Obgleich ich bisher mit dem Kaiserlichen Hofministerium und der Armee in enger Verbindung gestanden habe, lehne ich, in diesem Augenblick zwischen Tod und Leben, jede formelle Behandlung ab: als Mori Rintaro will ich sterben. In den Grabstein darf nicht ein einziges Schriftzeichen mehr gehauen werden als: Hier ruht Mori Rintaro" (das war sein Geburtsname).

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