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Schmalzstullenkino


· Stadtteil: Mitte
Stadtplanaufruf: Berlin, Veteranenstraße
Datum: 20. Februar 2017 (Update zu 23. Januar 2007)

"Let's go to Höffi", lautet unser heutiger Beschluss, aber wir wollen nicht Shoppen gehen. Das Flanierziel liegt in der Veteranenstraße, wo 1874 Rudolf Höffner eine Tischlerei gründete. Den fünfstöckigen Wohnhäusern in der Veteranenstraße 11-13 mit ihren schlichten Fassaden sieht man es nicht an, dass hier Berlins größtes Möbelhaus entstanden ist. "Entstuckungen" gab es schon in den 1920er Jahren, dabei wurde der historisierende Fassadenschmuck entfernt.

Möbel-Höffner
Produziert wurde in einem Fabrikgebäude auf dem Hof, der Möbelfabrikant Höffner wohnte im Vorderhaus. Seine Söhne Wilhelm und Hans Höffner hatten eigene Wohnungen im zweiten Obergeschoss. Im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss befanden sich das Kontor und die Ausstellungsräume der Möbelfabrik. Als das Unternehmen expandierte und das Repräsentationsbedürfnis zunahm, sind die Wohnungen den Geschäftsräumen zugeschlagen worden. Neobarocke hölzerne Wandpaneele, Wand- und Deckenbilder im Renaissance-Stil und ein Marmorkamin boten jetzt den angemessenen Rahmen für die geschäftlichen Besprechungen.

Der Firmengründer Rudolf Höffner starb 1925, sein Sohn Hans bereits vier Jahre später. Wilhelm Höffner, der ältere Sohn, lebte bis 1947, er dürfte das Unternehmen fortgeführt haben. In dieser Zeit wurde es zum größten Möbelhaus Berlins. Nach der Teilung Berlins lag die Veteranenstraße im Osten, der Geschäftsbetrieb wurde bald eingestellt. "Höffi", der heutige große Möbel-Discounter (Möbel-Höffner), ist eine Neugründung durch den Möbelhändler Krieger, der den Firmennamen erworben hat. Mit der Fabrik von Rudolf Höffner und seiner Familie hat er keine Verbindung, schmückt sich aber gern mit der langen Tradition der Höffners.

Rudolf Höffner wurde auf dem nahe gelegenen Sophien-Friedhof an der Invalidenstraße beigesetzt, genau wie seine Ehefrau und seine Söhne. Das frei stehende Erbbegräbnis ist an drei Seiten von Pfeilerreihen umschlossen. Über einer Schmuckurne öffnet sich die Umfassung zu einem Rundbogen. Ein repräsentatives Grabmal für den erfolgreichen Möbelfabrikanten und seine Familie.

Hausbesetzungen
Als nach der Wende die Stadtverwaltungen von Ost- und West-Berlin noch damit beschäftigt waren, die Behörden zu sortieren, hatten sich bereits Hausbesetzer aus beiden Stadthälften zusammen gefunden, um leer stehende Wohnungen zu übernehmen. In der Mainzer Straße in Friedrichshain entwickelte sich eine regelrechte Straßenschlacht zwischen Besetzern und Polizei, worüber schließlich der rot-grüne Senat stürzte. Im Bereich des Weinbergsparks waren die Höffner'schen Häuser in der Veteranenstraße und die Brunnenstraße 183 besetzt. "Wir bleiben alle!" hatten die Besetzer der Brunnenstraße in großen Lettern auf die Hausfassade geschrieben, aber die Geschichte verlief anders. Nach der Räumung und dem Ausbau steht dort heute "Studio 183" auf der dunkelblauen Front.

Von rund 130 nach der Wende besetzten Häusern wurden knapp 100 legalisiert, die Höffner'schen Häuser gehörten nicht dazu. Mehrfach waren diese Häuser besetzt worden. Das Fabrikgebäude im Hof schien den Hausbesetzern besonders interessant. Zuletzt wurde im Oktober 1995 eine Besetzung durch die Polizei verhindert. Heute ist hinter den Häusern ein öffentlicher Spielplatz, die Fabrik wurde abgerissen.

Kunstprojekt Acud
Dass sich in dieser Zeit der Hausbesetzungen eine Wohnungsbaugesellschaft mit einem alternativen Kunstprojekt zusammensetzt und die Künstler sich aus 50 leer stehenden Häusern eins aussuchen können für ihre Aktivitäten, ist sicher ungewöhnlich. So war das Gebäude Veteranenstraße 21 nicht durch Hausbesetzung, sondern durch Verhandlungen am Runden Tisch dem Kunst- und Kulturzentrum Acud zugefallen. Die Stiftung "Umverteilen", die eigentlich Projekte der Entwicklungshilfe vorantreibt, half bei den schwierigen Verhandlungen mit den jüdischen Alteigentümern. So bekamen Theater, Konzertsaal, Kunstgalerie, Kino, Bar und zahlreiche Ateliers einen sicheren Aktionsraum.

Zionskirche
Der Zionskirchplatz ist eine 52 Meter hohe Anhöhe, für Berliner Verhältnisse also schon ein Berg. Um den fünfeckigen Platz winden sich heute Straßenbahnschienen. Der Architekt August Orth hat die Kirche wegen der Form des Platzes nicht wie üblich nach Osten "orientiert", sondern nach Norden (der Orient = der Osten als Himmelsrichtung des Sonnenaufgangs). Kaiser Wilhelm I stiftete die Kirche aus Dankbarkeit dafür, dass er ein Attentat überlebt hatte. Dietrich Bonhoeffer übernahm 1931 mit 25 Jahren die Gemeinde als Vikar.


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Zu DDR-Zeiten unterhielten oppositionelle Gruppen hier die Umweltbibliothek. Die Kirchengemeinde schützte die Regimegegner, soweit ihr das möglich war, vor den Stasi-Zugriffen und Verfolgungen. Die Auseinandersetzungen wurden nicht nur in West-Berlin, sondern weit darüber hinaus verfolgt.

Weinbergspark

Die Veteranenstraße ist die verlängerte Invalidenstraße, begrifflich steht sie in demselben Kontext: der Gebrechliche hat ausgedient. Die Veteranenstraße flankiert eine Seite des Weinbergsparks und führt bergauf zur Zionskirche. Auch im Park gibt es einen Höhensprung. Er liegt an der Kante zum Barnimer Höhenzug, hier wird das in der Eiszeit entstandene Berliner Urstromtal sichtbar.

Im Park räsoniert Heinrich Heine - auf einem Sockel sitzend - darüber, dass wir keine Idee ergreifen, sondern die Idee uns packt und zu Knechten macht. Den DDR-Oberen war diese Plastik von Waldemar Grzimek nicht heldenhaft genug, deshalb durfte sie nicht am Kastanienwäldchen hinter der Neuen Wache aufgestellt werden, sondern wurde an den Rand des Parks verbannt. Inzwischen hat man dem Künstler Genugtuung verschafft, ein Zweitguss seiner Plastik steht vor dem Ostflügel der Humboldt-Universität.


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Auf dem Weinberg wurde bis zum 18. Jahrhundert tatsächlich Wein angebaut. Danach pflanzte man Maulbeerbäume für die Seidenraupenzucht Friedrichs des Großen. Später kaufte die Familie Wollank das Gelände und erbaute dort eine Villa. Mehrere Theater haben hier gespielt. Das "Germania Theater", vormals "Vorstädtisches Theater", wurde nach dem Tod ihres Mannes von der Witwe Gräbert geführt. Sie brachte den Laden zum Brummen, indem sie Theaterstücke, Schmalzstullen und Bier miteinander kombinierte.

Den Volkspark auf dem Weinberg hat Ost-Berlin um 1950 geschaffen. Anstatt die kriegszerstörten Häuser an der Brunnenstraße und Veteranenstraße durch Plattenbauten zu ersetzen, beschäftigte sie Bürger im Rahmen des "Nationalen Aufbauwerks" damit, Rasenflächen, Wasserbecken, Rosengarten anzulegen und ein Café zu errichten. Nach der Wende nutzten Drogendealer den Park, Anwohner wehrten sich dagegen. Heute wird der Weinbergspark schon beim ersten Sonnenstrahl als grüne Oase genutzt und die Anwohner treffen sich hier mit ihren Hunden.

Brunnenstraße, Torstraße
An der Kreuzung der Brunnenstraße mit der Veteranenstraße standen früher vier Kaufhäuser. Nur das "Warenhaus am Weinberg" ist erhalten geblieben. Adolf Jandorf, der auch das KaDeWe betrieb, hatte eine ganze Kette von Warenhäusern in Berlin etabliert, unter anderem auch dieses Haus. Zu DDR-Zeiten war das Warenhaus am Weinberg das „Haus der Mode“, in diesem Jahr wird die Fashion Week dort veranstaltet.


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Die Brunnenstraße verlief über die Sektorengrenze hinweg in Ost- und West-Berlin. Die Spuren der Geschichte sind bis heute deutlich sichtbar. Auf ihrem Weg vom U-Bahnhof Rosenthaler Platz zum U-Bahnhof Voltastraße ändert sie dreimal extrem ihr Gesicht: Vom schrillen Szenekiez über die bürgerliche Gründerzeit bis zur Kahlschlagsanierung als West-Berliner Bausünde. Beim Flanieren auf der Brunnenstraße kann man Stadtentwicklung wie im Brennglas sehen.

Am Rosenthaler Platz trifft die Brunnenstraße auf die Torstraße. Hier hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts eine Amüsiermeile mit Theatern und Varietés etabliert. Später folgten Kinos mit Namen wie Bio-, Helios-, Noak-, Patria-Lichtspiele und Filmen rund um die Uhr. Wollte man länger bleiben, dann brachte man sich seine Schmalstullen mit. Heute ist die Torstraße unauffällig schrill, wie wir beim Flanieren festgestellt haben. Der bunte Kern verbirgt sich vielfach hinter unansehnlichen Fassaden, ein Entdeckungsspaziergang lohnt sich.

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... und hier sind weitere Bilder ...
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noch ist es nicht soweit
Schröders Bahnhof