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Die Rückkehr des Astronauten


Stadtteil: Marzahn-Hellersdorf
Bereich: Springpfuhl, Alt Hellersdorf
Stadtplanaufruf: Berlin, Murtzaner Ring
Datum: 9. September 2019
Bericht Nr.:667

Die Immobiliengesellschaft "Deutsche Wohnen" hat in Marzahn und Hellersdorf Flächen für ein Street-Art-Event bereitgestellt. Auf die Seitenwände von sieben Plattenbauten mit einer Höhe von je rund 40 Metern haben verschiedene Künstlern Wandbilder gemalt oder gesprayt. "Das Ende der Grauzone" heißt das 2. Berliner Muralfest. Dieser Slogan ist - sicher unbewusst - zweideutig. Auf der Hand liegt, dass die vorher sich selbst überlassenen "grauen" Hochhauswände in eine attraktive Freiluft-Galerie verwandelt wurden. Andererseits befindet sich die Wohnungsgesellschaft selbst in einer Grauzone. Ihr wird von einem Volksbegehren Profitmacherei auf dem Rücken der Mieter vorgeworfen. Ihr droht die Enteignung, insoweit sind Marketing-Maßnahmen wie die Hauswandbemalungen ein kleiner Rettungsanker, um soziales Engagement zu zeigen, indem man den Kiez lebenswerter macht.

Sie hat nicht nur die Flächen zur Verfügung gestellt, sondern auch Farben und Hebebühnen für die Künstler bezahlt. Zum ersten Mal wurde das Berliner Muralfest im letzten Jahr veranstaltet, und schon textet die Deutsche Wohnen heute, "Förderung von Kunst und Kultur gehören zur DNA des Unternehmens". So schnell kommt etwas in den Genen an? Warum hat es dann der angemessene Umgang mit den Mietern offensichtlich so schwer, zu einem Genbestandteil zu werden?

Der originäre Anstoß zu Hauswandbemalungen ist nicht aus Berlin gekommen. Aber die im West-Berlin der Nachkriegszeit starken alternativen Strömungen - auch in der Kunst - haben die Stadt zu einer Hauptstadt des Graffiti werden lassen. Viele Reiseführer locken heute die Touristen nach Kreuzberg und Friedrichshain, denn inzwischen ist Street-Art längst zu einer bürgerlich vereinnahmten Strömung geworden, für die teilweise horrende Preise gezahlt werden. Siehe die Auktion, auf der Banksy die Kunstwelt mit einem sich (teilweise) selbst schreddernden Bild genarrt hat.

Wandbilder in Marzahn
Insgesamt sind beim 2. Berliner Muralfest mehr als 10 Street-Art-Werke entstanden. Wir beschränken uns auf die Bezirksteile Marzahn und Hellersdorf, die wir auf einer gemeinsamen Tour erreichen. In Marzahn sind es drei Hauswandbemalungen, die benachbart zum Helene-Weigel-Platz entstanden sind. Von der Allee der Kosmonauten läuft man durch den Park direkt auf das Wandbild von OKUDA (Oscar San Miguel) zu.

OKUDA (Murtzaner Ring)
Drei riesige mehrfarbige Figuren - zwei Männer und eine Frau - mit Phantasieköpfen hat der Künstler auf die Wand gesprüht. Die Körper fügen sich aus geometrischen Strukturen zusammen. Sein Stil ist ein "Pop Surrealismus", den der Madrider Künstler international in zahlreichen Städten an Hauswänden verwirklicht und in Galerien gezeigt hat. Auch Unternehmen wie Adidas und Puma verwenden von Okuda entworfene Designs.


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Inspiriert ist er von allem, was ihn umgibt (aber welcher Künstler ist das nicht). Widersprüche in unserer Gesellschaft, das Zeitalter der Moderne und der menschlicher Geist, das (falsche) Gefühl der Freiheit, das sind Themen, die sich in seinen Werken wiederfinden sollen.

An der Märkischen Allee stehen zwei bemalte Wände im rechten Winkel zueinander, wobei das folkloristische Bild von Adry des Rocio und ein aus dem Fotorealismus entstandenes Portrait von Akut eine künstlerische Koexistenz miteinander eingehen.


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Adry del Rocio (Märkische Allee 158)
Die mexikanische Künstlerin Adry del Rocio hat ihrem Wandbild den Titel gegeben: "Zuhause ist, wo das Herz ist". Über dem Kopf eines mexikanischen Ureinwohners ist ein Herz mit Flügeln, aber mit gekappten Blutgefäßen in der Luft, flatternde Vögel begleiten das Herz.

Die Street-Art-Künstlerin und Malerin hat eine eindrucksvolle Biografie: Bisher hat sie 29 lokale, 11 nationale und 23 internationale Auszeichnungen erhalten, stellte auf 53 Einzel- und 90 Kollektivkunstausstellungen aus, hat Straßenkunst auf Festivals in über 20 Ländern gezeigt. Die Italiener wählten sie zur "Maestra Madonnara", das ist die höchste Auszeichnung der italienischen Straßenmalerei.

Akut (Frank Lehmann) (Märkische Allee 164)
Rechts neben dem mexikanischen Wandbild und im rechten Winkel zu ihm zeigt Akut ein menschliches Portrait im Zustand der Rekonstruktion nach Zerstörung. Wenn er einzeln arbeitet, kombiniert Akut oft verschiedene Techniken, um menschliche Portraits zu zerstören und sie neu zusammenzusetzen. Frank Lehmann ist auch Teil des Künstlerduos HERAKUT, zusammen mit einer pakistanisch-deutschen Graffiti-Künstlerin.

Wandbilder in Hellersdorf
Ausgerechnet an diesem Montag muss es in Strömen gießen und die S-Bahn wieder eine ihrer berüchtigten Stellwerksstörungen haben, so dass wir unseren Weg vom Bahnhof Poelchaustraße statt mit der S-Bahn mit zwei Straßenbahnen fortsetzen müssen. Hier ist wirklich Findigkeit gefragt, um die Straßenbahnhaltestelle auf der Landsberger Allee oberhalb eines unbeschrifteten aber heftig bemalten Tunnels zu erreichen. Und beim Umsteigen am Bürgerpark kann man schon eine Fußmarsch von knapp einem Kilometer brauchen, um die Haltestelle der kreuzenden Linie zu finden. Doch dann sind die Wege kurz, die vier Hellersdorfer Wandbilder liegen in Sichtweite beieinander.

Secret Act (Victor Ash) (Ludwigsfelder Straße 14)
Das Kreuzberger Wandbild "Astronaut/Cosmonaut" in der Oranienstraße hat Kultstatus. Im Jahr 2007 im Schablonenstil entworfen, aber tatsächlich schwarz-weiß gemalt, war es eine Rückbesinnung auf die Zeit des Kalten Krieges, der auch durch einen Wettlauf in der Raumfahrt ausgetragen wurde. Bewusst hatte der Künstler beide konkurrierenden Bezeichnungen West/Ost für den Raumfahrer - Astronaut/Cosmonaut - verwendet, und der Raumfahrer blieb gesichtslos.

Jetzt ist 2019 ein Astronaut nach Hellersdorf gekommen (oder DER Astronaut zurückgekommen?). Sein Schöpfer ist derselbe, Victor Ash, aber der Astronaut hat sich verändert. Nicht mehr in der Art einer Schablone, sondern flächig ausgemalt. Und der Astronaut zeigt ein Gesicht.

Der Künstler Secret Act (Victor Ash) wurde in Portugal geboren und wuchs in Paris auf. Heute lebt er "der Liebe wegen" in Kopenhagen.


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Dort kann man von ihm einen schwarz-weißen Wolfskopf über einem Festivalgelände sehen. Er arbeitet international, schuf eine Wildtier-Version der "Bremer Stadtmusikanten", und in den Alpen auf über zweitausend Metern Höhe findet sich sein "höchstes" Wandbild.

extraweg (Oliver Latta) und Die Dixons: (Alte Hellersdorfer Straße 129)
Auf der letzten Hauswand unseres Rundgangs sehen wir eine schwarze Plastiktüte, die oben zusammengeschnürt ist. An der einen Kante ist sie aufgerissen. Was enthielt diese Umhüllung, was ist aus ihr herausgefallen oder herausgerissen worden oder verloren gegangen? Die Beschriftung "Streetart" ist selbstbezüglich, man mag seine eigene Idee dazu entwickeln.


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"Die Dixons" sind bei einem rbb-Interview als Begleiter des Projekts in Erscheinung getreten, vielleicht haben sie auch das Werk von Oliver Latta realisiert. In der Bernauer Straße neben der Mauergedenkstätte hat es eine solche Zusammenarbeit mit dem Designer eines Wandbildes gegeben. Die tiefe Verletzung der Stadt durch den Mauerbau wird dort mit den Mitteln eines Metzgers gezeigt: Auf der Hauswand ein riesiges Stück Fleisch zu sehen, ein blutiges Steak, in dessen Maserung ein großes Messer mit den Mauer-Jahreszahlen 1961-1989 hineinschneidet.

Boogie (Ludwigsfelder Straße 12) und MadC (Alte Hellersdorfer Straße 133)

Zwei Murals lagen hier in Hellersdorf auf dem Wege, die ich aufgrund ihrer abstrakten Gestaltung nur kurz erwähnen möchte: In der Ludwigsfelder Straße 12 bringt Boogie alias André seinen Künstlernamen in dem Schriftzug "Boogie down Berlin" unter. Der Designer, Graffiti- und Lebenskünstler, wie er sich selbst nennt, stammt aus dem Erzgebirge. Er lebt heute in der Schweiz.


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Die Graffiti-Künstlerin MadC (Claudia Walde) arbeitet mit der Sprühdose. Sie ist in Bautzen geboren, gemalt, gesprüht und ausgestellt hat sie schon international. In der Alten Hellersdorfer Straße 133 hat MadC ein abstraktes Muster geschaffen, hat Farbflächen und Linien in eine Bewegung versetzt, die die ganze Höhe des Hauses ausnutzt. Ihre leeren Sprühdosen werden nicht zu Sondermüll, in einem Fall hat sie aus 1.500 Dosen einen Stuhl gebaut. Ganz große Flächen streicht sie auch. In einem Interview sinnierte sie, dass man in Zukunft vielleicht mit Drohnen arbeiten wird.

Auch wenn der Rückweg nach Mitte vielleicht eines Tages mit einer Drohne möglich sein wird, bleiben wir in der Jetztzeit und fahren mit der Straßenbahn zurück.

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In Hellersdorf hatte sich schon einmal ein Wohnungsunternehmen in Hauswandmalereien versucht:
Das größte Gemälde der Welt
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Unsere Route:
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Kiekemal - das Sandmännchen!
Daran wollen wir gemessen werden