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Reihenweise Garagen


Stadtteil: Lichtenberg
Bereich: Friedrichsfelde und Karlshorst
Stadtplanaufruf: Berlin, Römerweg
Datum: 2. März 2022
Bericht Nr.:764

In Lichtenberg berühren sich Friedrichsfelde und Karlshorst südlich des Tierparks. Kommt man von Rummelsburg heran, dann trifft man auf ein eigenartig abwehrendes Straßenraster. Eine durchgehende Straßenverbindung zur Hauptachse Treskowallee fehlt. Im Bereich zwischen Hönower Straße und der Bahntrasse des Berliner Außenrings gibt es ein Gewirr von Straßen, die unvermittelt enden und sich nur als Fußwege fortsetzen, wenn überhaupt. Am Ende der Ilsestraße beispielsweise freut man sich über eine Fernheizungsleitung, die als Portal aufgebogen ist und den freien Weg zum gegenüberliegenden Aristotelssteig verheißt. Doch der ist eingezäunt, die Zauntür bleibt verschlossen. Kein Gebiet für Flaneure, mehrfach mussten wir zurück, neu ansetzen und Umwege laufen, um unser Ziel zu erreichen.

Der Blick in einen alten Stadtplan löst das Rätsel: Noch 1931 dehnten sich Kleingärten auf dem ganzen Gebiet zwischen Hönower Straße und Bahntrasse aus. Die Fernheizungsleistung verläuft auf einem in den 1970er Jahren zugeschütteten Wassergraben, der bis zum Tierpark führte und den Mittelbruchgraben kreuzte. Die Wohnanlagen am Ilse-Kiez und die beiden Schulen (Coppi-Oberschule und Karlshorster Grundschule) wurden erst in der Nachkriegszeit gebaut. Nur das Karlshorster Lyceum und die Kantschule am äußersten Ende an der Treskowallee bestanden bereits, bei der Einweihung 1914 "konnte der Blick ungehindert über wogende Kornfelder und schwankende Baumkronen hinwegschweifen".


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Die Bebauung im Umfeld des ehemaligen Kleingartengebiets ist von einem merkwürdigen Gegensatz geprägt: Einerseits leerstehende Gebäude an der Wallensteinstraße und große Brachflächen an der Wallensteinstraße und Tannhäuserstraße, andererseits Auseinandersetzungen über die Verdichtung der bestehenden Wohnanlagen mit grünen Innenhöfen an der Ilsestraße. Für ein neues Wohnquartier an der Tannhäuser- und Rienzistraße wurde daraufhin ein Bebauungsplan aufgestellt, um den Investor zu verpflichten, einen großen ruhigen Innenhof mit Grün- und Freiflächen zu schaffen.

Biologische Vielfalt im Wohnumfeld
Dabei wird der Naturschutz nicht zur Verhinderung, sondern zur Ergänzung der Bautätigkeit eingesetzt. Vögel, Igel, Echsen, Eichhörnchen, Wildbienen, Schmetterlinge und Insekten gehören zu den Bewohnern der Stadt, sie steigern die Lebensqualität der Städter, ihr Wohlbefinden und vermitteln ihnen Naturerfahrung im städtischen Wohnumfeld. Doch wie kann man diese urbane biologische Vielfalt schaffen? Zum einen ist es eine Frage des Bewusstseins. Zur praktischen Umsetzung wurde andererseits an Hochschulen das "Animal-Aided Design" entwickelt, das die Bedürfnisse dieser Tiere von Anfang an in die Städteplanung einbezieht und ihnen wertvolle Nischen schafft. Ziel ist die Erweiterung der Lebensräume für siedlungstypische Tier- und Pflanzenarten. Dazu gehören Nisthilfen, nektarreiche Pflanzungen für Schmetterlinge, schützende Gehölze für Vögel, also geeignete Quartiere und ausreichende Nahrungsangebote.

Nachverdichtung
An den drei Wohnanlagen der Ilsestraße werden zwei Innenhöfe mit zusätzlichen Gebäuden nachverdichtet, auch hierfür wurde ein Bebauungsplan aufgestellt. Der dritte Innenhof bleibt unangetastet. Es ist fast ein Park und erstreckt sich von den an zwei Seiten über Eck flankierenden Wohnbauriegeln bis zur Karlshorster Grundschule. Der Spielplatz auf den Innenhof der Wohnbauten wird von den Schülern genutzt.


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Während der Pausen schließen die Lehrer/innen das umzäunte Schulgelände auf, um den Kindern einen wunderbaren erweiterten Schulhof zu eröffnen. Wir haben heute Glück, es scheint die Sonne, ein fröhliches Bild vor Augen genießen wir den Aufenthalt. Es ist ein Highlight auf diesem bisher etwas trostlosen Stadtspaziergang. Dass auch dieser Ort durch eine Zauntür Richtung Aristotelessteig verschlossen ist, können wir verstehen, schließlich handelt es sich um einen privaten Innenhof.

Drei Schulen

Zwei Schulen mit Standorten im ehemaligen Kleingartengebiet wurden bereits genannt: Das Hans und Hilde Coppi Gymnasium bietet eine besondere musische Ausrichtung mit Instrumentalunterricht (Klavier, Keyboard, Gitarre, Flöte, Saxophon), Chor - und Orchesterausbildung. Die Grundschule Karlshorst ist eine Privatschule mit "kreativitätspädagogischer" Ausrichtung, sie hat "künstlerisch-ästhetische, fremdsprachliche und mathematisch-naturwissenschaftliche Profile" eingerichtet. Am Römerweg unterrichtet als weitere Schule die Lew-Tolstoi-Schule, eine "Begegnungsschule" mit Unterricht in Deutsch und Russisch. Das Karlshorster Lyceum von 1914 wurde in der Nachkriegszeit umgewidmet, ein Universitätscampus ist dort entstanden.

Planwirtschaft lernen
Mit ihrer Ausrichtung auf Planwirtschaft brauchte die DDR Hilfe von ihrem großen Bruder, die Sowjets hatten damit bereits jahrzehntelange Erfahrung. So waren sowjetische Professoren die ersten Dozenten an der "Hochschule für Planökonomie", die 1950 im ehemaligen Karlshorster Lyceum eingerichtet wurde. Dass der Ergänzungsbau für Audimax und Mensa den Bauten der Stalinallee ähnelt, ist kein Zufall: er wurde 1955 zur gleichen Zeit hergestellt. 1968 entstand ein weiterer hoher Gebäuderiegel am Römerweg. Von der Fassade des ehemaligen Schulgebäudes an der Treskowallee künden Luther, Schiller, Goethe, Kant, Stein, Gauß und Helmholtz von deutscher Geistesgröße.

Die Planökonomie-Hochschule war eine Kaderschmiede, an der aber auch wissenschaftlich geforscht wurde. Damit stieß sie oft an Grenzen in der Partei und ihrem Zentralkomitee, das die Deutungshoheit über ökonomische Fragen hatte und sich auch durch empirische Untersuchungen nicht in seiner Haltung beirren ließ. So waren beispielsweise die extrem niedrigen Wohnungsmieten in der DDR wirtschaftlich unsinnig, weil das Geld für die Instandhaltung der Gebäude fehlte und der Gebäudebestand verkam. Ihre empirisch belegten Studien konnten die Wissenschaftler aber nicht öffentlich machen, sondern nur im internen Wissenschaftsbetrieb verwenden.

Nach der Wende wurde die Planökonomie-Hochschule aufgelöst. Die Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter wurden entlassen. Ihre Befähigung, vielleicht über das westliche Wirtschaftssystem zu forschen und zu lehren, wurde nicht geprüft. Die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft übernahm den Campus, seit 2009 bezeichnet sie sich als Hochschule. Der Zusatz "Fach-" wurde weggelassen, das hört sich nach Reform an, ist aber nur eine sprachliche Besserstellung, der Fachhochschulstatus blieb unverändert. Ein weiterer Campus befindet sich im Industrieviertel an der Wilhelminenstraße in Köpenick. Zwischendurch bestanden weitere Standorte wie die "Bauernuniversität" am Blankenburger Pflasterweg.

Skulpturengarten
Im Umfeld der Hochschule finden sich mehrere Skulpturen. Dem Campus gegenüber steht eine Gruppe von fünf mageren Gestalten, bezeichnet als "Völkerfreundschaft". In den aktuell dunklen Zeiten des Krieges Russlands gegen die Ukraine ist auch die Freundschaft mager, dort wird sogar das Brudervolk als Feind wahrgenommen. Die Figuren wurden 1983 aufgestellt, sie repräsentieren die fünf Kontinente der Erde.

Auf dem Campus selbst stehen drei Werke von Bildhauern ohne inneren Zusammenhang. Im Innenhof vor dem Verwaltungsgebäude wurde die 1978 geschaffene Luchsfamilie aufgestellt, die dem Neubauprojekt Treskowhöfe am Ort des ehemaligen Studentenheims im Wege war. Die Figur eines überlebensgroßen Mannes in Fesseln in Sichtweite des Audimax-Gebäudes ehrt einen griechischen Freiheitskämpfer, der von der Junta hingerichtet worden ist.

Und dann noch ein "Paar" aus Sandstein auf einem Sockel, die Figuren unvollständig als Torso. Auf einen boshaften Kritiker wirkte das Paar "zugerichtet, zurechtgeschnitten. Es kann nicht gehen, nicht greifen. Anders die Oberkörper. Sie berühren sich nicht nur, sie halten einander, schützen einander, so gut es eben geht. Was ihm bleibt: das Aneinanderlegen, -pressen der Brust, der Herzseiten. Der Stein ist keine Umarmung, wohl aber der Versuch einer solchen. Anders die Gesichter. Das Verschränken der Münder, nicht als leidenschaftliches Spiel, sondern als ein Bergen und Schützen".


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Friedhof Karlshorst und Friedrichsfelde
Der Friedhof an der Römerstraße ist ein Ruheplatz ohne angemessene Atmosphäre. Es sind zwei Friedhöfe auf zusammenhängendem Gelände. Zum Neuen Friedhof Friedrichsfelde führt von der Römerstraße aus eine Einfahrt durch ein verzinktes vergittertes Industrietor. Cluster von Gräbern und freigewordene Flächen wechseln sich ab. Auf dem Friedhofsteil Karlshorst sind wenige Erbbegräbnisse vorhanden, die sich in der Fläche verteilen. Dazu gehört der Begräbnisplatz von Oscar Gregorovius, dem Gründer der Ansiedlung. Natürlich sind hier Georg Knorr, der Erfinder der Knorr-Bremse und Heinrich Dathe, der langjährigen Direktor des Tierparks bestattet.

Mathematikerin Erna Weber
Auf dem Friedhof ist auch die Mathematikerin Erna Weber beerdigt, die sich mit der Statistik in der Biologie und Medizin einen Namen gemacht hat. Sie begann 1931 mit der Zwillingsforschung, die bei eineiigen Zwillingen den Einfluss von vererbten Faktoren und Umwelteinflüssen statistisch quantifizieren kann. Die Nähe zur nationalsozialistischen Erblehre und ihre Mitgliedschaft in der NSDAP beendeten nach dem Krieg zunächst ihre akademische Karriere.

Sie beschränkte sich dann ganz auf die mathematische Seite der biologischen Statistik und veröffentlichte in Ost und West gefragte Lehrbücher, unter anderem "Mathematische Grundlagen der Genetik" und einen "Grundriss der biologischen Statistik", der zum Standardwerk wurde. Sie kehrte 1954 als Professorin in den Wissenschaftsbetrieb zurück und wurde schließlich zur Abteilungsleiterin in der Akademie der Wissenschaften der DDR berufen.

Reihenweise Garagen
Auf fast jedem Stadtspaziergang entwickelt sich von allein ein eigener Schwerpunkt aus dem, was wir sehen und erleben. Heute sind es erstaunlich viele Grundstücke, auf denen mehrere Reihen von Garagen stehen, bis an den Rand aufgestellt, eine neben der anderen. Bis 30 Quadratmeter sind solche Aufbewahrungsboxen für Autos in Berlin genehmigungsfrei. Zweieinhalb Garagen verbrauchen damit soviel Fläche wie eine durchschnittliche Berliner Wohnung (laut Statistik 74 Quadratmeter, 3 Zimmer).


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In einer Gegend, in der um die Nachverdichtung von Wohnanlagen gerungen wird, verwundert es sehr, dass so viel Stadtfläche unangefochten für das Abstellen von Fahrzeugen reserviert bleibt. Was könnte man damit machen? In Esslingen hat eine pfiffige junge Frau begonnen, die Idee umzusetzen, eine Garage mit einem Tiny-Haus zu überbauen. Das sind kleine Häuser aus Holz mit ungefähr 30 Quadratmeter Grundfläche, die alles bieten, damit eine bis zwei Personen dort leben können. Genügsam, von überflüssigen Dingen befreit. Die ausgeklügelte Nutzung jedes Winkels und jeder Fläche ist von Booten und Campmobilen geläufig. Das Bauamt findet die Idee "interessant", aber das Baurecht gebe das nicht her. Da wird wohl noch eine Weile Zukunft in die Köpfe kommen müssen.
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Unsere Route:
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Feuerwerk für Dilettanten und Pyrotechniker
Bahnhofstraße ohne Bahnhof