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Problematische Auferstehung


Stadtteile: Lichtenberg, Weißensee
Bereich: Alt-Hohenschönhausen
Stadtplanaufruf: Berlin, Manetstraße
Datum: 13. August 2018
Bericht Nr.: 627

Ist es mehr als ein Zufall, dass einer der einflussreichsten ehemaligen DDR-Funktionäre vor drei Jahren auf dem "Auferstehungsfriedhof" beerdigt wurde? Sollte jener Staat symbolisch auferstehen, der mit Mauer und Schüssen seine Bürger zwang, im Land zu bleiben?

Auferstehung
Mit der Auferstehung ist das eine diffizile Sache. In der christlichen Vorstellung ist sie keine körperliche Wiederbelebung, sondern eine Verwandlung in ein neues Leben. Jedenfalls ist sie ein Wunder, an das man glauben kann - oder nicht.

Welche Probleme die Berufung auf die Auferstehung haben kann, hat die DDR an ihrer Nationalhymne gemerkt. Von 1949 bis 1970 sang man die Hymne mit folgendem Text:

_____Auferstanden aus Ruinen / und der Zukunft zugewandt
_____laß uns dir zum Guten dienen / Deutschland, einig Vaterland.

Ab 1970 wollte die DDR keine Wiedervereinigung mehr, "einig Vaterland" störte, also wurde die Nationalhymne nur noch instrumental gespielt, ohne den Text zu singen. Die "Auferstehung" war aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Im Westen Deutschlands sang man wenigstens noch die dritte Strophe des Deutschlandlieds, im Osten sang man überhaupt nicht mehr.

Stasi-Siedlung am Obersee
Zurück zum Auferstehungsfriedhof. Er liegt nur einen Kilometer vom Obersee entfernt, für die Bewohner des Viertels ist er also in jeder Hinsicht der naheliegende Bestattungsplatz, denn konfessionelle Beschränkungen gibt es hier nicht mehr. Der Stasi-Oberst Alexander Schalck-Golodkowski, der zwischendurch nach dem Mauerfall 26 Jahre lang am Tegernsee wohnte, war als Toter in seine "alte Heimat" zurückgekehrt. Bis 1989 hatte er in der Manetstraße gewohnt, einer Querstraße der Oberseestraße. In diesem Viertel lebten die Stasi-Offiziere in Bungalows und Villen, teilweise mit Seezugang. Der oberste Stasi-Chef Erich Mielke, der Auslandsspionagechef Mischi Wolf, ihre Stellvertreter und leitenden Untergebenen wohnten verdeckt in "Stasihausen", das wie ein ganz normalen Wohngebiet ausgesehen hat, anders als die stark gesicherte Siedlung der Politprominenz in Wandlitz.

"Kommerzielle Koordinierung"
Schalck-Golodkowski war der Herrscher über ein Schattenreich, das - jahrelang nach außen unsichtbar - die finanzielle Existenz der DDR absicherte und zum Schluss den Staatsbankrott um mehrere Jahre hinausschieben konnte. Sein verschwiegenes Imperium hieß völlig unsozialistisch "Kommerzielle Koordinierung". Devisen beschaffte er mit kapitalistischen Methoden durch ein Netz von Tarnfirmen im Westen, die im internationalen und Interzonenhandel Westgeld abschöpften. Ähnlich der Methode, wie die Nazis ausreisenden Juden mit der Reichsfluchtsteuer Geld abjagten, sammelte Schalck Westgeld ein beim Freikauf von Häftlingen durch die Bundesrepublik. Kunstgegenstände und Antiquitäten ließ er aus DDR-Museen ausräumen, um sie im westlichen Ausland zu Devisen zu machen. In der DDR lebende Kunstsammler wurden wegen angeblicher Steuerschulden um ihren Besitz gebracht, bei Ausreisewilligen war das noch einfacher.

Einen Teil der Devisen verwendete Schalck, um der Politprominenz, die sich in Wandlitz verbarrikadiert hatte, ein Leben mit Westwaren und kapitalistischem Standard zu finanzieren. Auf dem internationalen Kunstmarkt zusammengekaufte Gemälde im Wert von 750.000 DM hingen in seiner eigenen Villa in der Manetstraße auf dem als Galerie ausgebauten Dachboden. Man konnte ihm nicht beweisen, dass er das Geld irgendwo unterschlagen hatte, von seinem Monatsgehalt von viertausend Ostmark konnte er die Sammlung jedenfalls nicht erworben haben.

Nach dem Rücktritt Honeckers fürchtete Schalck in der DDR um sein Leben. Die Genossen hatten ihn fallen gelassen, obwohl sie finanzielle Reserven von mehr als 8 Mio. DM und 20 Tonnen Gold vorfanden. Sein Wissen war den westlichen Geheimdiensten so viel wert, dass sie bei Gerichtsverfahren eine Hand über ihn hielten und ihm - mit Unterstützung früherer Geschäftspartner - am Tegernsee ein sorgenfreies Leben im Westen ermöglichten.

Auferstehungsfriedhof
Der Auferstehungsfriedhof zählt in seinem Internetauftritt Schalck zu den "Persönlichkeiten", die dort beerdigt sind. Den wertschätzenden Beiklang des Begriffes kann man nur damit entschuldigen, dass sich dieser Friedhof vielleicht der christlichen Barmherzigkeit verpflichtet fühlt. Fünf Personen sind in der Liste genannt, darunter Peter Fechter, eines der Opfer des Schießbefehls an der Berliner Mauer. Er wurde etwas mehr als einen Kilometer von Schalcks Büro entfernt angeschossen und blieb sterbend eine Stunde lang im Mauerstreifen liegen. Er war ein Maueropfer, das war sein Schicksal, aber ist das "Persönlichkeit"? Er war eher ein Mensch, dem alle Menschlichkeit versagt blieb.

Der Auferstehungsfriedhof ist von Thuja-Sträuchern fast überwuchert. Sicher passen Lebensbaum und Auferstehung gut zusammen, sinnvoll wäre aber, dass man ein paar Gräber mehr sehen könnte. Gartenbänke auf oder neben den Gräbern erinnern an Baumarkt-Angebote.

Der Auferstehungsfriedhof zwischen Indira-Gandhi-Straße und Hansastraße gehörte zur Auferstehungskirche in der Friedenstraße, die nach Kriegsbeschädigungen nicht wieder "auferstanden" ist. Der vorhandene Rest des Kirchenbaus wurde nach der Wende mit modernen Materialien wie Glas und Stahl "ergänzt" und als Tagungszentrum zweckentfremdet.

Friedhöfe an der Konrad-Wolf-Straße
An der Konrad-Wolf-Straße wurden vor 1900 im Zuge der Randwanderung der Friedhöfe vor die Tore der Stadt zwei Doppel-Begräbnisterrains eingerichtet. Zwei evangelische und zwei katholische Kirchengemeinden belegen jeweils gemeinsam einen Friedhof. Die Gelände verlaufen von der Straße aus weit parallel in die Tiefe. Der im Plan eingezeichnete Übergang vom katholischen Friedhof zu den evangelischen Glaubensbrüdern ist allerdings durch undurchdringlichen Bewuchs und aufgeschüttete Sandberge bewusst unmöglich gemacht. Eine ähnliche undurchdringliche Festung sind auch die katholischen Friedhöfe in der Humboldtstraße in Reinickendorf, die sich strikt zum städtischen Begräbnisareal abgrenzen. Diese katholischen Berührungsängste sind offensichtlich kein Einzelfall.

Alle Friedhöfe, die wir heute gesehen haben, sind ohne Erbbegräbnisse oder außergewöhnlich gestaltete Grabmale. Auf den katholischen Friedhöfen ist das Bemühen erkennbar, mit einer neuen Ästhetik die Begräbnisplätze attraktiver zu machen.Die Bereiche sind so angelegt, dass sie nicht von den Angehörigen gepflegt werden müssen.

Die Phantasie bei der Anlage pflegeleichter Gemeinschaftsgräber scheint auf dem katholischen Friedhof unerschöpflich. Am Fuß von Bäumen angedockt finden sich mit Kieselsteinen umrandete oder niedrig eingezäunte einzelne Urnenfelder mit jeglicher Art von Kitsch. Herzen, Engel, auch mal ein Flachmann mit der Aufforderung an den Verstorbenen: "Trink langsam". Und Grabanlagen werden jetzt dem Kommerz geöffnet, wir entdeckten folgendes Werbeschild an einem Gemeinschaftsgrab: "Auf dieser Anlage wird beigesetzt durch XY-Bestattungen, Straße, Telefon-Nummer".


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Für einen Teil der normalen Urnengräber hat man überraschenderweise die Ästhetik von Kriegsgräbern übernommen. Kleine gleichförmige Grabplatten mit eingefrästem Kreuzsymbol, Vor- und Zuname und Jahreszahlen sind in gleichmäßigem Abstand in Serie aufgereiht. Wie bei Kriegsgräbern sind die Platten am oberen Rand leicht erhöht aufgelegt. Der Platz für eine zusätzliche Bepflanzung ist durch Kantensteine abgegrenzt.


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Hier geht nach dem Tod das Individuum in der Masse unter, während es im Leben meist um die eigene Unverwechselbarkeit und Individualität gerungen hat.

Kirche der St. Pius-Gemeinde

Den katholischen Friedhof in der Konrad-Wolf-Straße belegen gemeinsam die St. Pius-Gemeinde und die St. Hedwig-Gemeinde. Zur St. Hedwig Kathedrale am Bebelplatz gehören weitere Begräbnisstätten an der Liesenstraße, Humboldtstraße und Smetanastraße, Zeichen der Randwanderung der Friedhöfe vor die Tore der Stadt.

Die Pfarrkirche der St. Piusgemeinde steht an der Palisadenstraße, die parallel zur ehemaligen Stalinallee verläuft. Als an der Stalinallee das Stalindenkmal aufgestellt und die Deutsche Sporthalle errichtet wurden, störte der 96 Meter hohe Kirchturm den sozialistischen Blick. Die Kirchengemeinde wurde deshalb genötigt, dem kriegsbeschädigten Turm die Spitze zu nehmen und ihn auf 61 Meter zu kürzen. Es wirkt wie ausgleichende Gerechtigkeit, dass die überstürzt errichtete Sporthalle noch zu DDR-Zeiten wegen Einsturzgefahr abgerissen werden musste. Die Markus-Kirche am Strausberger Platz war ein weiteres Opfer der Stalinallee, das kriegsbeschädigte Gotteshaus wurde 1957 für die Neubebauung komplett gesprengt.

Sportforum Berlin
Angrenzend an die Friedhöfe an der Konrad-Wolf-Straße wurde das Areal bis zum Weißenseer Weg in den 1950er Jahren mit Sportanlagen bebaut. Sowohl den Spitzensport als auch den Breitensport hat die DDR staatlich nachhaltig gefördert. So ließ sich auch Genosse Walter Ulbricht 1959 als aktiver Teilnehmer des Deutsches Turn- und Sportfestes in Leipzig fotografieren. Wegen des internationalen Ansehens sportlicher Leistungen schreckte man bei Spitzensportlern auch nicht vor dem Einsatz von Dopingmitteln zurück.


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Nach der Wende hat der Westen das Sportforum in seine Regie übernommen. Es steht weiterhin Sportvereinen und Leistungszentren zur Verfügung und ist vor allem Olympiastützpunkt für "Bundeskaderathleten".

Sporthotel und Kongresszentrum
Umrundet man den Komplex des Sportforums von der Konrad-Wolf-Straße zum Weißenseer Weg, dann stößt man am Rande der aktiven sportlichen Welt auf eine Ruine, ein ausgedehntes Spukschloss. Es war früher ein Sporthotel und Kongresszentrum, das seit der Wende nicht mehr genutzt wurde. Vor sieben Jahren hatte ein Investor das Gelände gekauft. Er sagt immer noch, "dass ein Projekt entstehen soll", ist aber im ersten Anlauf grandios gescheitert. Gleich einem Siegerpodest sollten drei Hochhäuser gebaut werden, das höchste ("Goldturm") mit 118 Metern. Drum herum ein ganz neues Stadtviertel zum Wohnen und Einkaufen. Doch ein Bebauungsplan für dieses überdimensionierte Vorhaben fehlte. So bleibt zunächst eine Nachwende-Ruine, die wie einige andere im Ostteil der Stadt vor sich hin modert.

Wellblechpalast
Für das Eishockey stand ab 1963 eine nicht überdachte Eisfläche zur Verfügung, die Jahre später mit einem Wellblechdach vor Witterungseinflüssen geschützt wurde. Als Frotzelei hatte ein Journalist die Halle "Wellblechpalast" genannt, der Begriff ging schnell in den Berliner Sprachschatz ("Berliner Schnauze“) ein. Die höheren Weihen folgten nach der Wende, als die Halle offiziell so benannt wurde. Die Eisbären feierten aus diesem Anlass eine "Wellblechparty", leider kürzen sie inzwischen den Hallennamen als "Welli" ab. Der östliche Abkürzungsfimmel ist auferstanden oder er ist immer noch lebendig.

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