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Prinzenviertel ohne Prinzen


Stadtteil: Lichtenberg
Bereich: Karlshorst
Stadtplanaufruf: Berlin, Wandlitzstraße
Datum: 26. Februar 2018
Bericht Nr.:616

Mit wenigen Schritten vom Industriequartier zum Villenviertel: Der Blockdammweg verbindet Rummelsburg (Kraftwerk Klingenberg, Gaswerk) mit der Prinzensiedlung in Karlshorst, beide Ortsteile sind nur siebenhundert Meter voneinander entfernt. Vom Villenviertel führt eine Fußgängerbrücke im Knick über die Bahngleise zur Dönhoffstraße, die das Bahngelände bis zum S-Bahnhof Karlshorst flankiert.

Karlshorst entsteht: Das Prinzenviertel
Prinzenviertel? So hieß das Terrain südlich der Bahn an der Wandlitzstraße ursprünglich. Die Straßennamen aus der Gründungszeit waren den Prinzen August Wilhelm, Eitel Friedrich, Oskar von Preußen usw. gewidmet Doch dann hat das Viertel in den 1950er Jahren eine Umbenennungswelle erlebt. Stechlin, Üdersee, Müritz usw. ersetzten zu DDR-Zeiten die Namen der Prinzen, die nicht mehr ins Weltbild passten. Straßennamen faschistischen, monarchistischen und militaristischen Ursprungs wurden getilgt und oft - anders als hier - entsprechend der DDR-Gedenkkultur nach antifaschistischen Widerstandskämpfern benannt. Merkwürdigerweise hat die DDR die Straße nicht umbenannt, die 1934 in der Nazizeit dem preußischer General Heinrich von Lehndorff gewidmet worden war.

Als der Architekt Oscar Gregorovius 1892 beantragte, in Karlshorst einen Bahnhof für das geplante Prinzenviertel einzurichten, lehnte die Königliche Eisenbahnverwaltung ab, die zu erwartenden Erträge waren ihr zu gering. Mehr Erfolg hatte der Verein für Hindernisrennen, der für die Trabrennbahn Karlshorst einen Bahnanschluss einforderte und auch bekam. Der Bahnhof wurde zunächst ebenerdig westlich der Treskowallee eingerichtet. Erst 1902 wurde die Strecke hochgelegt, die Bahnsteige wanderten zur anderen Straßenseite. Damit war beiden geholfen, die Trabrennbahn eröffnete 1894 mit eigener Rennbahnstation und die "Colonie Carlshorst" konnte gebaut werden.

In Berlin hatten sich mehrere Initiativen gebildet, um dem Wohnungselend der Industriearbeiter entgegen zu wirken. Adlige und Angehörige höherer Schichten taten sich zusammen. Es gab beispielsweise einen "Fürstenkonzern", dessen Volksbaugesellschaft in Hermsdorf und Lichterfelde baute oder einen "Verein zur Verbesserung der kleinen Wohnungen in Berlin", für den der Architekt Alfred Messel Arbeiterwohnungen in einem Reformbauprogramm entwarf.

In Karlshorst erwarb die "Bauvereinigung Eigenhaus" das Bauland für die Prinzensiedlung. Das Ziel war, zu günstigen Konditionen Wohnungen für Minderbemittelte zu bauen. Zu den Mitgliedern der Bauvereinigung gehörten unter anderem August Graf von Dönhoff(-Friedrichstein), nach dem die Straße nördlich der Bahn benannt ist. Und der Papierfabrikant Max Krause ("Schreibste mir, schreibste ihr, schreibste auf MK-Papier"), der Briefpapier mit Briefumschlägen in edlen Kassetten verkaufte und damit reich wurde.

Aus der Bauvereinigung Eigenhaus ging die "Heimstätten-AG" hervor, die auch in Nikolassee und Schlachtensee als Terraingesellschaft aktiv wurde. In Karlshorst beauftragte sie den Architekten Oscar Gregorovius mit der Erschließung und Bebauung der neuen Siedlung. Die ursprüngliche Idee, kleine Siedlungshäuser zu errichten, geriet schnell in Vergessenheit. Die günstigen Lage an der Galopprennbahn lockte finanzkräftigere Bewohnerschichten nach Karlshorst und so wurden repräsentativer Villen und Mehrfamilien-Landhäuser errichtet.

Zwei Drittel der heute in der Prinzensiedlung vorhandenen Bauten stammen aus der Gründungszeit um die Jahrhundertwende 1900. Viel Holzfachwerk sehen wir beim Mäandern durch die Siedlungsstraßen, dazu Türmchen, Erker, Schmuckfassaden mit Backstein und Eckeinfassungen mit Naturstein. Es ist ein Bilderbuch der Baukunst jener Zeit, ein Quartier, das auch nach mehr als hundert Jahren sein Erscheinungsbild bewahrt hat.


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Grundschule Karlshorst
Viele Namen hatte die 1910 in Karlshorst gegründete Schule im Laufe der Zeit: Gemeindeschule, Volksschule, Grundschule, Oberschule, Polytechnische Oberschule, Grundschule Am Seepark. Heute unterrichtet dort die staatlich anerkannte Kreativitätsgrundschule Karlshorst. Dem klassischen "Wissen aufnehmen und reproduzieren" setzt diese Schule „Anders denken lernen“ entgegen. Dadurch entstehen ganz neue Schulfächer wie "Entdecken, Erforschen, Erfinden" oder "Bildkünstlerisch, Musikalisch, Sprachlich Gestalten", eng verknüpft mit den staatlichen Rahmenlehrplänen.

Katholische Kirche St.Marien unbefleckte Empfängnis
Katholische Kirchen sind in Berlin meist in die Blockrandbebauung integriert, die religiöse Minderheit sollte ihre Gotteshäuser nicht wie die Evangelen prominent freistehend errichten. Zum dritten Mal begegnet uns innerhalb eines Jahres bei unseren Stadtrundgängen ein katholischer Kirchenbau, der sich nicht nur aus der Blockstruktur abhebt, sondern auch monumental in seiner Erscheinung ist. Nach der St. Martin-Kirche in Kaulsdorf und der Kirche St. Maria Magdalena in Niederschönhausen ist es heute die St. Marien-Kirche in Karlshorst. Wie eine Festung erhebt sie sich an einer platzartigen Erweiterung der Gundelfinger Straße.

Aus dem Mauerwerk treten vier Pfeiler hervor, bekrönt mit Köpfen von Mensch, Löwe, Stier und Adler. In der christlichen Ikonografie werden so die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes dargestellt. Das Dach war mit Mönch-und-Nonne-Ziegeln gedeckt. Diese Ziegel in Form einer halben Röhre werden so verlegt, dass in die nach oben geöffnete Höhlungen der "Nonnen" die "Mönche" in entgegengesetzter Richtung eingelegt werden und damit ein Verbund entsteht.


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Der Kirchenraum hinter der wuchtigen Fassade ist an die Form einer Basilika angelehnt. Das Mauerwerk und die kantige Bauform verweisen auf Tradition und Bodenständigkeit. Die 1935 während des Dritten Reiches gebaute Kirche passt sich damit an den konservativen Zeitgeist jener Jahre an. Heute hält die polnische katholische Mission in dieser Kirche regelmäßig Gottesdienste in polnischer Sprache ab.

Treskowallee, Carlshorst
Diese Straße ehrt Johann Carl Sigismund von Treskow, der das Rittergut Friedrichsfelde erwarb und zu einem landwirtschaftlichen Mustergut ausbaute. Der Gutspark ist später zum Tierpark umgestaltet worden. Auch die Ländereien um das Rittergut gehörten ihm, die neue Kolonie mit dem Prinzenviertel wurde auf ehemals Treskowschen Grundbesitz errichtet. Als für die Kolonie ein Name gesucht wurde, kam Carl von Treskow zu weiteren Ehren, der Ortsteil wurde Carlshorst genannt, ab 1901 nach der Rechtschreibreform Karlshorst.

Die Familie von Treskow ist in Berlin noch einmal mit einer Straßenbenennung vertreten. In Niederschönhausen (Pankow) gibt es eine Treskowstraße, die den Sohn des Friedrichsfelder Treskows ehrt. Er hat sich als Landrat in Niederbarnim in der Zeit der industriellen Entwicklung um den Ausbau der nördlichen Gemeinden verdient gemacht.

DDR-Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz
Zwischen Waldowallee und Köpenicker Allee ist ein verwildertes Gelände mit Gebäuden von einer Mauer umgeben. "Im Keller lagert Plutonium, jetzt sollen hier Wohnungen gebaut werden", schreckt die B.Z. die Anwohner auf. Der Tagesspiegel berichtet, "von einer Neutronenquelle sei dem Bezirk nichts bekannt", und auch er hat vordergründig recht. Gibt es in Karlshorst eine weitere Lagerstätte mit strahlendem Material wie am Forschungsreaktor in Wannsee?


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Auf dem Gelände in Karlshorst hatte das DDR-Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz seinen Sitz, und tatsächlich hat es mit der Wende strahlende Altlasten an das Bundesamt für Strahlenschutz übergeben. Ein "Plutonium-Beryllium-Neutronenstrahler", der zur Kalibrierung von Messgeräten eingesetzt wurde, befindet sich jetzt immer noch in einem Bunker im Keller eines Hauses auf dem Areal. Das Material ist in einem Zylinder eingeschlossen, der in die hohle Hand passen würde, aber was sagt schon die Größe über die Strahlkraft aus.

Entsorgt wurde das Plutonium in den letzten 27 Jahren nicht, weil dem Amt "kein geeigneter Transportbehälter zur Verfügung gestanden habe". Das irritiert, sollte da doch erhebliches Potenzial lagern? Der abgegriffene Hinweis, davon "gehe keine Gefahr aus für Beschäftigte und Anwohner" aus, wirkt wenig beruhigend. Verschreckend wirkt dagegen die Aussage der Stadtentwicklungsstadträtin, dem Bezirksamt sei von dem Plutonium nicht bekannt. Ist die Verwaltung so ahnungslos?

Das Bundesamt prüft gerade, "wo die Quelle bleiben soll und wie sie abtransportiert werden kann", denn es hat den wesentlichen Teil des Straßenkarrees zur Bebauung freigegeben. Wohnungen und eine Schule sollen entstehen, denn "Nutzungseinschränkungen" sieht das Amt nicht. Ein Planungswettbewerb für die Neuordnung des Areals nach dem Abriss des größten Teils der alten Bauten hat bereits stattgefunden.

Siemens Luftschiffhalle
Das Karree zwischen Waldowallee und Köpenicker Allee war nicht in das Villenviertel einbezogen, denn bis hierhin reichte der Flugplatz Karlshorst. Werner von Siemens, der im Schloss Biesdorf wohnte, hatte in Karlshorst an der Grenze zu Biesdorf 1907 von seinem Industriearchitekten Karl Janisch eine drehbare Luftschiffhalle errichten lassen, die sich nach der Windrichtung ausrichten ließ. Als die Zeit der Luftschiffe vorbei war, übernahm der Flughafen Karlshorst das Gelände von Biesdorf bis zur Köpenicker Allee in Karlshorst. Mit der Entmilitarisierung Deutschlands durch den Versailler Vertrag wurde der Flughafen entwidmet.

"Horch und Guck"
Zu DDR-Zeiten sollte nach dem Strahlenschutz später auch noch die Stasi auf dem Areal zwischen Köpenicker Allee und Waldowallee angesiedelt werden, doch die Bauten kamen bis zum Oktober 1989 nicht über die erste Ausbaustufe hinaus. Es sollte ein Neubaukomplex für alle 1.600 Mitarbeiter der Hauptabteilung VIII - Beobachtung und Ermittlungen - werden, die Wende machte dem ein Ende. "Operative Maßnahmen" wie Observationen, Durchsuchungen, Festnahmen, "Maßnahmen" gegen Personen, gewaltsames Eindringen in fremde Objekte, Abhören von Telefongesprächen, Videoüberwachung, Anschläge, Entführungen, Verhinderung von Fluchtversuchen, für den ganzen Werkzeugkasten von "Horch und Guck" war diese Hauptabteilung zuständig. Ein Glück, dass es damit dann vorbei war.

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Karlshorst war schon mehrfach Ziel unserer Stadtrundgänge.
Alle Berichte finden Sie hier: Karlshorst

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... und hier sind weitere Bilder ...
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Unsere Route:
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Hundekuchen und Perlonstrümpfe
Problematische Auferstehung