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Ein zerstörtes Dorf


Stadtteil: Lichtenberg
Bereich: Falkenberg
Stadtplanaufruf: Berlin, Vincent-van-Gogh-Straße
Datum: 4. Juli 2016
Bericht Nr.: 550

Falkenberg gibt es zweimal in Berlin: Bekannt ist die Tuschkastensiedlung im Südosten der Stadt. Und es gibt das Dorf Falkenberg im Bezirk Lichtenberg, dorthin ist 2001 das Tierheim Lankwitz umgezogen. Der futuristische Neubau beeindruckt vom Stadtbild her vor allem aus der Vogelperspektive. Die Siedlung Falkenberg in Neu-Hohenschönhausen und das daran angrenzende Dorf Falkenberg sind unser heutiges Ziel.

Das Dorf Falkenberg hat im Laufe seiner Geschichte fast alle dörflichen Attribute eingebüßt. Besiedelt wurde es wurde im Rahmen der Ostkolonisation. Anstelle eines nicht bekannten Gründungsjahrs wird die Ansiedlung nach ihrer ersten Erwähnung in einem amtlichen Dokument datiert. Eine solche Urkunde gab es1370 vom Markgrafen Otto dem Faulen. Die Lust des geborenen Bayern, Brandenburg zu regieren, war nicht besonders ausgeprägt, seinen Lebensabend verbrachte er in Bayern, nachdem er Teile Brandenburgs verkauft hatte, so war er aus Brandenburger Sicht "der Faule". Falkenberg war ein Gut, das wie viele andere Güter im Laufe seiner Geschichte oft den Besitzer gewechselt hat.

Im Jahr 1791 kaufte die Mutter der beiden berühmten Gelehrten Alexander und Wilhelm von Humboldt das Gut. Obwohl sie selbst im Tegeler Humboldt-Schloss lebte und nie in Falkenberg gewohnt hatte, ließ sie die Falkenberger Kirche ausbauen, um sich in der Kirchengruft beerdigen zu lassen. Über ihre Motive rätseln Historiker noch heute. Der Kirchenbau wurde klassizistisch herausgeputzt, der Kirchturm "ägyptisierend" mit einem oberen Abschluss in Pyramidenform versehen. Die Humboldt-Mutter hatte zweimal sehr viel ältere Männer geheiratet (von Holwede, von Humboldt), beide Särge ließ sie jetzt herbeischaffen, um mit ihnen gemeinsam der Ewigkeit entgegen zu sehen.

Bei ihrer Beerdigung war keiner der Humboldt-Söhne anwesend, sie waren vorher mehrfach an das Krankenbett der schwerkranken Mutter gerufen worden, weil der Tod unmittelbar bevorzustehen schien. Die Mutter hatte in preußischer Pflichterfüllung über den Lebensweg ihrer Söhne gewacht. Dem "weniger begabten" Alexander hatte sie eine trockene Verwaltungskarriere aufgezwungen, seine Neigung und Berufung zu den Naturwissenschaften verkennend. Als gehorsamer Sohn trat er seine Forschungsreise zum Orinoco, dem Rio Negro und anderen Zielen in Lateinamerika erst nach dem Tod der Mutter an. So konnte die Welt doch noch von den unschätzbaren Forschungsergebnissen dieser und weiterer Reisen profitieren.

Die Kirche mit dem außergewöhnlichen Turm ist 1945 beim Heranrücken der sowjetischen Truppen von der deutschen SS gesprengt worden, um die Orientierung zu erschweren. Dasselbe geschah in Wartenberg, so verloren beide Dörfer ihre Mitte. Die Gruft mit den Särgen verwahrloste jahrelang, bis sie schließlich zugemauert und mit einer Erinnerungstafel versehen wurde. Das Gutshaus nebenan war nach dem Krieg eine Ruine, zu DDR-Zeiten erfolgte ihr Abriss. Zwar blieben die Landarbeiterhäuser und die Dorfkate erhalten, das Gut und die Kirche waren aber zerstört.

Die alte Dorfstraße ist heute Teil einer überregionalen Fernstraße, eingerahmt von zwei Chausseen. Richtung Osten geht sie in die Ahrensfelder Chaussee über. Als Bundesstraße 158 führt diese über Bad Freienwalde nach Angermünde an der polnischen Grenze. In der anderen Richtung setzt sich die Dorfstraße als Falkenberger Chaussee fort. Der preußische Meilenstein mit der Aufschrift „Eine Meile bis Berlin“ an der Ecke Pablo-Picasso-Straße verweist darauf, dass dies von alters her eine Fernverbindung Richtung Berliner Innenstadt war. Auch der Fernverkehr hat so dazu beigetragen, den dörflichen Charakter untergehen zu lassen.


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Nach der Reichsgründung 1871 wurde begonnen, eine Kanalisation zu bauen, um die bis dahin in die Rinnsteine und Flüsse entsorgten Abwässer auf Rieselfelder außerhalb der Stadt zu leiten. 1875 hatte die Stadt das Gut Falkenberg gekauft und hier wie bei anderen Gütern Absetzbecken und Verrieselungsflächen angelegt. Von dem Pumpwerk in der Holzmarktstraße ("Radialsystem 5") wurden ab 1881 die Abwässer von 400.000 Berlinern auf die Rieselfelder im Nordosten Berlins gepumpt. Inzwischen haben längst Kläranlagen die Funktion der Rieselfelder übernommen, weil diese mit der zunehmenden Abwassermenge und den industriellen Einleitungen überfordert waren.

Falkenberg ist von mehreren Grünflächen umgeben, den ehemals vermoorten Niederungen (Luche), den Rieselfeldern und anderen Naturschutzgebieten wie den Krugwiesen. Vielen Wandervorschlägen kann man folgen. Beispielweise führt die Humboldt-Spur vom Humboldt-Schloss in Tegel hierher, der Barnimer Dörferweg - einer der 20 grünen Hauptwege - berührt Falkenberg. Für unsere Stadtwanderung haben wir den Weg über die Krugwiesen ausgewählt. In den Krugwiesen liegt der Faule See, der hinter dichten Röhrichtbeständen und Büschen und hohem Gras kaum auszumachen ist. Ein 15 Meter hoher Hügel erlaubt einen Blick in die Umgebung und auf den Gewerbepark Falkenberg mit dem Coca-Cola-Schornstein - fast ein Wahrzeichen.

Dies ist der dritte Stadtspaziergang, auf dem wir zu einer Coca-Cola-Fabrik kommen, - nach Hildburghauser und Franklinstraße - doch auch hier wird nicht mehr produziert. "Zisch und aus", wie die BZ so schön titelte, seit vier Tagen füllt Coca-Cola hier nicht mehr ab. Trotzdem zeigt sich das Fabrikgelände mit Stacheldraht, Gitterdrehtüren und Videoüberwachung unnahbar, denn die Logistik soll hier noch weiter arbeiten (wie lange noch?). Das "Headquarter" an der Stralauer Allee ist von der Schließung jedenfalls nicht betroffen.


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Der Wohnbezirk an der Vincent-van-Gogh-Straße zeigt, wie aus DDR-Plattenbauten ansprechende Hochhäuser entstehen können. Sie sind in der Spätzeit gebaut worden, als man variabler mit den vorgefertigten Bauelementen umgehen konnte und wie in der Thälmann-Siedlung H-förmige Gebäudegrundrisse und Hausvorsprünge mit dreieckigen Balkons realisierte. Hecken grenzen Vorgärten ab, die Fassaden sind modernisiert. Beim Kunst- und Kulturnetzwerk Hohenschönhausen erfährt man mehr über die Kunstwerke, die hier im Wohngebiet zu finden sind.

Die von dem Rostocker Bildhauer Jo Jastram geschaffene Bronzeplastik „Schreiender Hengst“ steht auf einer Gründfläche an der Pablo-Picasso-Straße Ecke Warnitzer Straße. In seiner Heimatstadt wurde ein weiterer Abguss aufgestellt, die Reaktionen dort waren nicht sehr begeistert. In der Randowstraße wird die mobile Skulptur "Wind" durch den Luftzug bewegt. Mehrere Stelen, schwarz oder poliert, stehen in einem Hausdurchgang in der Biesenbrower Straße. "Sie sollen verhindern, dass Kinder im Durchgang spielen, wo es doch im Hof schön gestaltete Spielplätze gibt".


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Das ist die (begrenzte) Sicht von Erwachsenen, jedes Ding und jeder Ort kann Kindern zum Spielen dienen. Nicht die Funktionsbestimmung, sondern die Fantasie macht sie dazu. Freuen wir uns darüber in Zeiten, wo fantasievolles Spielen vielfach durch den Blick aufs Display ersetzt wird.

Die Dorfkate will uns heute - Montag ist Ruhetag - kein Flaniermahl anbieten, deshalb weichen wir in die Innenstadt aus.

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... und hier sind weitere Bilder ...
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Unsere Route:
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Meister der Angst in seinem Gefängnis inhaftiert
Zwei Kleinhaussiedlungen im Norden