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Dreiecke im Stadtgrundriss - trocken u. unwirtlich


Stadtteile: Friedrichshain, Lichtenberg
Bereich: Von Friedrichshain nach Rummelsburg
Stadtplanaufruf: Berlin, Boxhagener Straße
Datum: 16. Oktober 2024
Bericht Nr.:849

Nordöstlich des Bahnhofs Ostkreuz umschließen mehrere Bahntrassen das Gelände der Victoriastadt - ein Umriss, der im Stadtplan die Form eines Auges hat. Die Bebauung wurde nachträglich zwischen den Bahntrassen eingefügt. Zwei der Bahnstrecken gab es bereits seit 1842 bzw. 1867, die dritte folgte 1871 in dem Jahr, als Terrainentwickler das von den Bahngleisen umschlossene Gelände kauften.

Umsteigebahnhof Ostkreuz
Vom Ostkreuz fahren Züge über die Ringbahn, die Stadtbahn (über Friedrichstraße), die Schlesische Bahn (Richtung Köpenick und Erkner) und die Ostbahn (Richtung Lichtenberg). Der Eisenbahnkreuzungspunkt wurde 1871 angelegt und war bis zum Umbau (2006 bis 2018) als Umsteigebahnhof eine ständige Unbill für die Fahrgäste. Der Bahnhof hatte für dieselbe Richtung unterschiedliche Bahnsteige auf unterschiedlichen Ebenen. Die Treppen, die die Bahnsteige verbanden, waren zuletzt zum Teil wegen Baufälligkeit gesperrt. Mit dem weitgehenden Neubau wurde dann auf "Richtungsbetrieb" umgestellt, das bedeutet, dass alle Züge in einer Richtung am gleichen Bahnsteig halten.

Das meiste Geld hat man beim Umbau in eine neue Südkurve gesteckt, die das Ostkreuz umfährt. Die S 9 fährt als Direktverbindung Richtung Süden von Warschauer Straße im Bogen direkt zum Treptower Park durch, ohne am Ostkreuz zu halten. Das erspart das Umsteigen in Ostkreuz und verkürzt die Fahrzeit um 5 Minuten. Allerdings überrascht es die unwissenden Fahrgäste, die am Ostkreuz umsteigen wollten. Auf Ansagen und Hinweise hat man verzichtet, um den Fahrgästen den Überraschungseffekt nicht zu vermiesen.

Das unwirtliche Dreieck
Von Ostkreuz fährt die Regionalbahn in einer Rechtskurve Richtung Lichtenberg. Entlang dieser Kurve verläuft die Grenze zwischen Friedrichshain und Rummelsburg (Lichtenberg). Oberhalb des "Auges" streben die Bahnkörper in verschiedenen Richtungen davon und umschließen im Dreieck ein Gelände, in das der Gutspark Lichtenberg zweimal hereinpassen würde. Aber es ist keine Erholungsfläche, sondern eine typische "Restfläche" mit einem Sammelsurium von hinterlassenen Gegenständen, unorganischen Baulichkeiten und vergessenen Absperrungen.

Elektrizitätswerk Lichtenberg
Ich nenne dieses namenslose Gebilde das "unwirtliche Dreieck". Es ist nicht das einzige von Verkehrsadern eingerahmte dreieckige Areal auf unserem heutigen Rundgang. Inmitten des Dreiecks wird am Wiesenweg das seinem Zweck enthronte Elektrizitätswerk Lichtenberg von einem Musikclub und von Musikstudios nachgenutzt, Lärm stört in dieser Gegend nicht. Das Gebäude mit seinen beschmierten Fassaden macht einen heruntergekommenen Eindruck. Die selbstständige Landgemeinde Lichtenberg hatte 1904 dieses E-Werk für die gemeindliche Stromerzeugung erbaut, das dann aber infolge der Eingemeindung nach Groß-Berlin 1920 stillgelegt wurde, als die Bewag die Elektrizitätsversorgung der Großstadt übernahm.

An der Tasdorfer Straße macht die übriggebliebene Achse eines verklinkerten Industriegebäudes mit zwei Balkons und großen Fensterflächen einen wohnlichen Anblick. Für das "Schöner Wohnen" muss man sich hier aber mangels erfreulichen Ausblicks nach draußen auf die Innenräume konzentrieren, das Drumherum lädt nicht zum Verweilen ein.


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Am Wiesenweg kann man dann unter der Bahnanlage hindurch zur Haufstraße gelangen und die unwirtliche Gegend verlassen. Unbemerkt überschreitet man die Bezirksgrenze und gelangt dort in die Victoriastadt mit ihren Gründerzeitbauten und einem eindrucksvollen Fabrikationsgebäude.

Knorr-Bremse
Der als U-Bahnarchitekt hochangesehene Alfred Grenander hat beidseits einer Bahntrasse am Ostkreuz zwei mächtige Industriebauten für die Bremsenfabrik Knorr errichtet. An der Neuen Bahnhofstraße steht - gruppiert um zwei Höfe - rückwärtig die Fabrikanlage von 1916. Der straßenbegleitende, langgestreckte Klinkerbau diente als Verwaltungsgebäude. Mächtige Säulenarkaden vor dem Erdgeschoss, die Obergeschosse über alle Etagen mit Wandpfeilern in Kolossalordnung verbunden, Reliefs als Schmuckelemente in den Brüstungsfeldern, ein eindrucksvoller Bau.


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Das auf von Eisenbahnbremsen spezialisierte Unternehmen Knorr-Bremse hatte an der Bahnanlage einen Standort mit Symbolkraft gefunden. Die zunächst vor allem für die preußischen Staatsbahnen produzierten neuartigen Bremsen - beispielsweise die Einkammerschnellbremse - machten das Unternehmen zu einem der wichtigsten Bremsenproduzenten Deutschlands. Die Technologie stammte von einem amerikanischen Ingenieur, der bald sein Berliner Unternehmen seinem Betriebsleiter Oberingenieur Georg Knorr überließ.

Zehn Jahre nach dem ersten Bau folgte auf der anderen Seite der Bahntrasse - Hirschberger Straße - ein neues Hauptwerk des Bremsenfabrikanten mit vier markanten Türmen, die mit den letzten beiden Etagen aus dem unteren Baukörper schmaler herauswachsen und sich schließlich am oberen Ende leicht verjüngen. Auch bei diesem Bau sind die Fenster über alle Etagen mit Wandpfeilern in Kolossalordnung verbunden. Ein Tunnel unter der Bahntrasse verbindet beide Bauten, schließlich kannte sich der U-Bahnarchitekt Grenander mit Tunneln aus.


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In Marzahn hat die Knorr-Bremse AG für sich und ein Tochterunternehmen 1942 die damals größte Werkhalle Europas errichtet bekommen. Dort wollte Hitlers "Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt" Albert Speer eine "Oststadt" mit Wohnungs- und Industriebauten entstehen lassen, was wegen des Krieges nicht weit gediehen ist. Knorr hat nach der Wende angekündigt, in der Werkhalle als Ableger seines Münchener Konzern weiterhin eine Produktion mit mehreren hundert Mitarbeitern aufrecht zu erhalten.

Gürtelstraße
Noch eine Anmerkung zu den Straßennamen: Die Neue Bahnhofstraße geht in die Gürtelstraße über, die aber die älteren Namensrechte hatte. Die Gürtelstraße wurde nach dem Hobrecht‘schen Bebauungsplan 1871 als Ringstraße um die gesamte Innenstadt gelegt, ähnlich wie die Ringbahn für den Bahnverkehr oder später die Stadtautobahn für den Autoverkehr. Nur noch zwei Abschnitte in Pankow und Friedrichshain tragen den Namen Gürtelstraße, andere wurden umbenannt wie der "Generalszug" in Schöneberg und Kreuzberg nach den Militärführern im Befreiungskrieg.

Jugendherberge
Nördlich des Rummelsburger Sees kommt das "trockene Dreieck" in den Blick, dessen Namensherkunft sich nicht so erschließt wie die Benennungen der beiden "nassen Dreiecke" in Berlin. Das "trockene Dreieck" wird durch zwei Bahntrassen gebildet und durch die Markstraße, die beide Trassen kreuzt. Der Straßenname erinnert an einen Gänse- und Schweinemarkt in Rummelsburg.

In dem dreieckigen Areal wurden 1906 zwei Schulgebäude, eine Feuerwache mit Übungsturm und ein Sportgebäude mit separaten Turnhallen für Mädchen und Knaben erbaut. Nach der Wende zog dort vorübergehend die Fachhochschule für Wirtschaft und Technik (FHTW) ein. Danach betreibt das Jugendherbergswerk (DJH) dort bis heute ein Jugendhotel. Es ist die größte DJH-Jugendherberge im Herzen der Stadt mit 445 Betten und 16 Seminarräumen. Jährlich werden 100.000 Gäste erwartet.


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Jugendherbergswerk
Die Idee eines Lehrers, der 1909 seine Schüler als Gegengewicht zum belasteten Wohnumfeld zu Wanderungen bewegte, führte zunächst zu Problemen mit der Schulaufsicht und zu seiner Strafversetzung. Er setzte sich dann aber doch durch und richtete Unterkünfte für mehrtägige Wanderungen ein. Daraus entstand deutschlandweit das Jugendherbergswerk, auch international folgte man seinem Beispiel. Der gestiegene Komfort der steuerbefreiten Herbergen benachteiligt in der Gegenwart kommerzielle Hostels mit ähnlichem Standard, die Gemeinnützigkeit steht deshalb in der Diskussion. Mit dem Hostel in der Boxhagener Straße haben wir bei unserem Rundgang beide Angebote vorgefunden.

Freudenberg-Areal ("Box Seven")
An der Boxhagener Straße haben wir noch bei einem Besuch 2014 neben der Schreibfederpassage ein ausgedehntes Steppenareal vorgefunden, das als Bauplatz dienen konnte. Inzwischen ist in dem "Freudenberg-Areal" zwischen Boxhagener und Weserstraße - einem ehemaligen Industriegelände - ein neues Wohnquartier entstanden mit Kita und einem Park. Die Neubauten und die Einbindung der Schreibfederhöfe wurden mit dem Publikumspreis der Berliner Architekten (BDA) ausgezeichnet.


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Scheinarchitektur
Der Wohnkomplex Helenenhof und der sozialistische neoklassizistische Schulpalast Max-Kreuziger-Straße lagen bereits 2009 an unserem Weg. In der Böcklinstraße werden wir heute auf Hausfassaden aufmerksam, deren Reliefs und andere Fassadenelemente nicht dreidimensional geformt sind, sondern als Bild aufgemalt wurden.

Diese Illusionsmalerei ("Trompe-l´œil ") will unsere Augen betrügen, und wenn wir nicht aufmerksam hinschauen, gelingt ihr das auch. Auf diese bereits aus dem Altertum bekannte Kunstform sind wir schon öfter bei unseren Stadtrundgängen gestoßen, in den Bildergalerien finden sich weitere Beispiele (nach "Illusionsmalerei" suchen).


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Im Umkreis des Ostkreuzes ist an Cafés kein Mangel. Eigentlich wollen wir von Rummelsburg bis zur Sonntagstraße zurückgehen, lassen uns dann aber schon in der Neuen Bahnhofstraße zum Einkehren verführen.
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Unsere Route:
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Die Geschlechtertürme von Lichtenberg