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Shitstorm der Müllbehälter


Stadtteil: Friedrichshain
Bereich: Samariterviertel
Stadtplanaufruf: Berlin, Bänschstraße
Datum: 12. April 2023
Bericht Nr.:803

Das Samariterviertel wollen wir heute von einer neuen Seite kennenlernen. Bei unserem ersten Besuch haben wir uns in der Schreinerstraße vor allem mit der Gladow-Bande beschäftigt, einer Jugendbande, die 1949 wegen zwei Morden, fünfzehn Mordversuchen, schwerem Straßenraub und unzähligen Raubüberfällen mit Waffengewalt vor Gericht stand. Zwei jugendliche Bandenmitglieder hatte die DDR hingerichtet.

Mietshäuser Bänschstraße
Die Bänschstraße, die heute unser Flanierziel ist, wirkt beschaulich, historisch verspielt, fast romantisch. Die ungewöhnlich breite Straße hat eine parkartige, mit niedrigen Bügeln eingefasste Mittelpromenade, die das Queren nur an vorgesehenen Übergängen möglich machen und damit das Grün schützen. Die flankierenden Bauten sind in wenigen Jahren kurz nach der Jahreswende 1900 entstanden. Erbaut wurden sie von Bauhandwerkern, die an Baugewerkschulen eine architektenähnliche Ausbildung erhalten haben. Ein zeittypisches Phänomen, das wir in vielen Bezirken gefunden haben.

Mehr als 40 Wohnhäuser sind als Baudenkmale eingetragen. Eine beachtliche Zahl für eine Straße, die nur knapp einen Kilometer lang ist. Jugendstil beherrscht die Fassaden, ist an Giebeln, Balkonen, Loggien, Erkern und Haustüren zu finden. Frauenköpfe, die wir als klassizistische Fassadenverzierung kennen, sind meist von floralen Elementen umspielt.


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Die "Actien-Gesellschaft Berliner Neustadt" hatte 1873 das Gelände des Samariterviertels und des Schlachthofviertels - insgesamt etwas mehr als einen Quadratkilometer groß - erworben und als Terrainentwickler für die Bebauung hergerichtet. Als die Gesellschaft 1902 liquidiert wurde, erhielten die Aktionäre mehr als das Anderthalbfache ihrer Einlage zurück.

Wohnanlage Proskauer Straße
Der Berliner Spar- und Bauverein ließ als Genossenschaft an der Bänschstraße Ecke Proskauer Straße eine Reform-Wohnanlage erbauen, die Maßstäbe setzte und auf der Pariser Weltausstellung 1900 preisgekrönt wurde. Der Architekt Alfred Messel, der auch die Weisbachsiedlung neben dem Städtischen Vieh- und Schlachthof erbaut hatte, verzichtete bei seinem Entwurf auf Quergebäude und Seitenflügel. Im begrünten Innenhof befand sich ein Kinderspielplatz, in einem Gartenhaus waren Kindergarten, eine Bibliothek und Versammlungsräume untergebracht. Die Wohnungen boten Komfort auf kleinster Fläche und waren mit Innentoiletten ausgestattet. Auch das schlecht belichtete Berliner Zimmer gibt es in seinem Projekt nicht. Den Bau im Landhausstil schmückte Messel mit Renaissance-Elementen.

Als ich fortging
Die Protestbewegung, die wesentlich zum Ende der DDR beigetragen hatte, hat in der Bänschstraße markante Bezugspunkte. "Als ich fortging", ein Song des Ostrocks, wurde zur Wende-Hymne in der DDR. Geschrieben hatte ihn Dirk Michaelis, der in dieser Straße aufgewachsen ist. Die Liebesgeschichte über eine Trennung hatte plötzlich eine andere Bedeutung durch die Fluchtwelle, als die DDR-Bürger in Richtung Westen "fortgingen". Honeckers starrsinniger Behauptung, "Die Mauer wird noch in 100 Jahren stehen", stand die Einsicht des Songs gegenüber, "nichts ist unendlich, so sieh es doch ein“.

Samariterkirche auf dem Samariterplatz
Ein weiterer markanter Bezugspunkt zur Friedensbewegung der DDR ist die Samariterkirche und das Engagement ihres Pfarrers Rainer Eppelmann, der die politischen Verhältnisse in der DDR offen kritisierte. Seine Bluesmessen als Gottesdienste setzten Akzente, Hunderte Jugendliche aus der gesamten DDR reisten zu diesen Veranstaltungen an. Auch systemkritischen Künstlern bot Eppelmann ein Forum. Der Friedenskreis der Samaritergemeinde half 1989, die Wahlfälschung aufzudecken. Mit Klagetrommeln wurde gegen die blutige Niederschlagung der Proteste auf dem chinesischen Tianmen-Platz protestiert.

Heute erinnert eine Stele vor der Kirche an die Friedliche Revolution in der DDR. Pfarrer Rainer Eppelmann gründete in der Wendezeit mit anderen den "Demokratischen Aufbruch", der später in der CDU aufging. In der DDR-Regierung von Lothar de Maizière war er der letzten Minister für Abrüstung und Verteidigung. Nach der Wende wurde er in den Bundestag gewählt und arbeitete bei der "Aufarbeitung der SED-Diktatur" als Vorsitzender einer Stiftung und Leiter einer Enquête-Kommission. Eppelmann war ein eindrucksvoller "friedlicher Unruhestifter" (Gauck).

In der DDR, die kritische Jugendliche nicht studieren ließ, bot das Theologie-Studium einen Freiraum unter dem Schutz der Kirche. Nach der Wende konnten diese kritischen Theologen als Teil der Bürgerbewegung den politischen Übergang mitgestalten und die Vereinnahmung der DDR durch die Bundesrepublik mäßigen. Als Politiker wie beispielsweise Friedrich Schorlemmer, Joachim Gauck, Rainer Eppelmann.

Zellestraße
An der Zellestraße wird hinter einem vergitterten Pfad ein Innenhof mit einem Wandbild sichtbar. Eine Anwohnerin lässt uns auf dem Weg zu den Mülleimern von der Bänschstraße aus in den Innenhof und wundert sich, ein Wandbild hat sie dort nie gesehen. Wenn man den Fokus auf eine konkrete Aktion gerichtet hat, fehlt manchmal der Weitblick, wer will sich darüber erheben?


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Ein weiterer Innenhof wird auf der anderen Seite der Zellestraße als Ausschnitt sichtbar. Es sind Schulbauten der 259. und 282. Gemeindeschule sowie der 19. Hilfsschule, die Ludwig Hoffmann 1913 im Innenbereich des Karrees zur Liebigstraße errichtet hat.

Der verputzte straßenseitige Schulbau spiegelt mit einer dreigeteilten Fassade die Nutzung nach außen: Rundbogenfenster der Turnhalle im Erdgeschoss, von Pilastern (flachen Säulen) eingerahmte Fenster der Hilfsschule über zwei Etagen, darüber in der Attika Wohnungen des Rektors und des "Schuldieners". Über den Rundbögen finden sich Kinderfiguren als Schlusssteine.


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Hindernisse mit Leichtigkeit und Anmut überwinden
Zwei gelbe Brandwände hinter dem Spielplatz Bänschstraße 86 sind mit großen Textpassagen gefüllt, die erst lesbar werden, wenn man die Texte zweimal spiegelt. Sie stehen auf dem Kopf und sind zusätzlich spiegelverkehrt. Thomas Bratzke, genannt ZAST, hat als Sieger eines Kunstwettbewerbs zusammen mit Kindern und Anwohnern die Beschreibung entwickelt, wie ein "Traceur" seinen Weg zielstrebig immer geradeaus verfolgt, Architektur und Kultur halten ihn nicht auf, jedes Hindernis wird mit Leichtigkeit und Anmut genommen.

Der Text beschreibt: "linke Hand auf dem Fensterbrett, ziehe meinen Körper daran hoch, rechter Arm erreicht das Balkongitter, klettere hinüber". Parkour heißt diese Fortbewegungsart, die der Traceur betreibt. Sein Ziel erreicht er standardmäßig mit diesen Bewegungen: Mauer überspringen, über ein Gitter kommen. halbe Drehung über dem Hindernis, weiter Sprung mit Anlauf, Hochziehen, Sprung rückwärts über ein Hindernis, Hocksprung (Katzensprung). Die "Kunst der effizienten Fortbewegung" wurde von einem Franzosen entwickelt, deshalb sind alle Fachbegriffe in dieser Sprache.


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Forckenbeckplatz
Der Forckenbeckplatz als Park am westlichen Ende der Bänschstraße liegt direkt gegenüber dem Eingang des Schlachthofgeländes an der Eldenaer Straße. Der Platz wurde 1880 für den Verkehr erschlossen, hierher fuhren Pferdebahnen, später die Straßenbahnen. Die Flachbahnen der Hochbahngesellschaft stellten die Verbindung zur Warschauer Straße her. Von 1954 bis 1973 fuhren Oberleitungsbusse zum Forckenbeckplatz.

Junge Sozialisten
Wie sehen junge Sozialisten aus? Der Bildhauer Erwin Damerow stellte sie 1970 "kleinbürgerlich schlicht bekleidet, mit braven Frisuren, verhalten und sehr keusch" dar. Nahezu lebensgroß stehen der Junge und das Mädchen am Rande des Forckenbeckplatzes, "schüchtern berühren sich die Hände hinter dem Rücken." Hatte er sich an den "Zehn Geboten der sozialistischen Moral" orientiert, die Walter Ulbricht im Juli 1958 verkündet hatte: "DU SOLLST sauber und anständig leben und Deine Familie achten"?


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Wandbild Liebigstraße
Auf dem Weg zum Frankfurter Tor begegnen uns noch ein Wandbild. An der Liebigstraße nahe der Kreuzung zur Rigaer hat der Künstler "Mr. Woodland" 2018 ein Wandbild geschaffen, das inzwischen mit weißen Farbstreifen übermalt wurde, vielleicht ist es im Umfeld der Rigaer nicht willkommen. Woodlands Werke sind großflächige Murals mit Charakterdarstellungen, realistisch gemalten Figuren in Kombination mit grafischen Elementen und Fragmenten. Als Kontrast dazu fordert der Text auf einer anderen Hauswand auf, den Staat zu zerschlagen: "Smash the State, Masturbate".

Der Schleidenpark und die Abfalleimer
An der Pettenkoferstraße Ecke Rigaer Straße öffnet sich der Schleidenpark, er gilt als "Tor zum Samariterviertel". Eine dreieckige Grünfläche, jede Seite rund 70 Meter lang, wurde bereits um 1880 dort angelegt und 2005 neugestaltet und aufgewertet.

"Alle 5 Minuten verliebt sich Abfall in diesen Eimer". Das ist einer der kessen Sprüche, die die BSR an ihre Müllbehälter schreibt. Die Aussage trifft leider nicht auf die Abfallbehälter im Schleidenpark zu, denn dort haben sich die orangefarbenen Behälter unter dem Slogan "Nahentsorgungsgebiet" zu einem Flashmob getroffen.

Am Rand des Parks hängt alle 11 Meter ein Mülleimer, von jeder Parkbank ist einer in Wurfweite entfernt. Der dreieckige Platz an der Pettenkoferstraße ist so groß wie das Drittel eines Fußballfeldes und mit 19 Müllbehältern bestückt. Soviel Müll kann es hier gar nicht geben, viele Abfallbehälter müssen wohl auf verliebten Abfall verzichten und Single bleiben.


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Unser ehemaliger Regierenden Bürgermeister wunderte sich nach Ende seiner Dienstzeit, wie schmutzig Berlin sei. Seine Stadtverwaltung wusste das schon länger, sie hätte ihm sagen können, dass die Stadtreinigung 35 Parks reinigt, seit 2017 Pizzakartons, Kaffeebecher, leere Flaschen und allen anderen Müll aufsammelt und die Abfalleimer leert. 10 neue Mitarbeiter hat sie dafür eingestellt. Die BSR bekommt für die Säuberung jährlich 25 bis 30 Cent pro Quadratmeter. während den Bezirken für Reinigung und Grünpflege nur 6 Cent pro Quadratmeter aus ihren Haushaltsmitteln zur Verfügung steht.

Hat dieser Geldsegen dazu geführt, dass die BSR den Schleidenpark mit Abfallbehältern vollgehängt hat? Das war schon einem anderen Bürger aufgefallen, er hat im letzten Jahr von der städtischen BSR Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz verlangt, wollte Planungsdokumente, Bedarfsanalyse, Dokumente und Akten einsehen, bekam aber nur kommentarlos eine unvollständige Liste mit 9 Mülleimer-Standorten.

Ob sich die BSR geschämt hat? Nach weiterem Nachhaken ergänzte sie, es gibt keine Planungsunterlagen, die zuständige Liegenschaft ermittelt diese Bedarfe individuell, Papierkorbfahrer melden, wenn ein weiterer Bedarf an Papierkörben besteht. Und darüber soll es keine Akten geben? wunderte sich der Bürger. Stattdessen bot die BSR schließlich eine schriftliche Ablehnung an, gegen die er klagen könne.
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Flüssig, flach und flüchtig
Gott ist ausgezogen, aber nur vorübergehend