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Bierfreund und Bierhimmel


Stadtteil: Kreuzberg
Bereich: Lausitzer Platz, Wrangelkiez
Stadtplanaufruf: Berlin, Eisenbahnstraße
Datum: 8. Oktober 2018 (Update zu 14 Januar 2008)


Die Kreuzberger Eisenbahn-Markthalle liegt nicht an der Eisenbahn. Aber an der Eisenbahnstraße, und die trägt ihren Namen zu recht, denn auf dieser Straße fuhr von 1850 bis 1905 ebenerdig der Vorgänger der Berliner Ringbahn, die "Verbindungsbahn".

Verbindungsbahn, Vorläufer der Ringbahn
Die in die Stadt führenden Eisenbahnstrecken waren anfangs von privaten Eisenbahngesellschaften angelegt worden und endeten deshalb ohne Verbindung miteinander als Kopfbahnhöfe rings um den Stadtkern. Der Frankfurter Bahnhof (heute Ostbahnhof), Görlitzer, Anhalter, Hamburger und Stettiner Bahnhof (Nordbahnhof) mussten dringend miteinander verknüpft werden, um den Gütertransport durch die Stadt zu erleichtern. Pferdefuhrwerke reichten hierfür nicht mehr aus. 1851 wurde die in staatlicher Eigenregie erbaute Verbindungsbahn eröffnet, genau 20 Jahre erfüllte sie ihren Zweck, bis sie 1871 - im Jahr der Reichsgründung - von der Ringbahn abgelöst wurde.

Bis 1905 fuhren aber weiterhin "Kohlenzüge" vom Frankfurter Bahnhof, der inzwischen Schlesischer Bahnhof hieß (heute Ostbahnhof), zum Gaswerk neben dem U-Bahnhof Prinzenstraße. Danach erfolgte die Versorgung bis 1927 mit Kohlenzügen auf der verkürzten Strecke vom Görlitzer Güterbahnhof aus. Diese Züge fuhren nur nachts und in Schrittgeschwindigkeit. Sie nutzen teilweise ein Straßenbahngleis, das neben der Hochbahn entlang führte.

Ein englisches Unternehmen hat 1825 die "Gaserleuchtungsanstalt" errichtet, um in der Berliner Innenstadt eine Gasbeleuchtung zu installieren. Als einziger Bau davon ist in der Gitschiner Straße noch das Maschinenhaus erhalten. Direkt neben dem Gaswerk wurde 1902 die Hochbahnstation Prinzenstraße errichtet. Das historisierende Zugangsgebäude erhielt ein hohes, geschwungenes Dach zur Gaswerksseite. 1954 entstand auf dem ehemaligen Gaswerksgelände das Sommerbad Kreuzberg ("Prinzenbad"). Verbliebene Rückstände des Gaswerksbetriebs wie Teeröle und Gifte wurden erst 1978 bei einer Renovierung des Bades aus dem Boden entfernt.

Wie eine Spielzeugeisenbahn sehen auf Bildern die Züge aus, die vor den Kopfbahnhöfen hielten. Von dort musste in den jeweiligen Kopfbahnhof umgeladen werden. 10 km lang war die Strecke, mehrere Brücken mussten gebaut werden. Am Wassertorplatz stellte eine Drehbrücke die Verbindung zum Gaswerk her. Eine weitere Drehbrücke gab es über die Spree in Verlängerung der Eisenbahnstraße, später ersetzt durch die nicht mehr vorhandene Brommy-Brücke.


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Die Züge fuhren teils links, teils rechts der Akzisemauer. Vom Nordbahnhof zum Hamburger Bahnhof durch die Invalidenstraße - heute liegen dort Straßenbahngleise -, dann über eine Spreebrücke Richtung Brandenburger Tor. Die Verbindungsbahn fuhr ebenerdig, es gab Kreuzungspunkte mit zahlreichen Straßen, deshalb kamen die Züge nur langsam voran. Unfälle und Staus waren unvermeidlich, das Gebimmel der Bahn störte die Anwohner. Es waren dieselben Probleme wie bei der Stettiner Bahn, die im Wedding eine Zeit lang ebenerdig durch die Grüntaler Straße fuhr.

Aus der öffentlichen Wahrnehmung ist die Verbindungsbahn völlig verschwunden. Die Ringbahn übernahm ihre Funktion, sie fuhr in einem eigenen Gleisbett, die alten Bahnanlagen wurden abgebaut und das Gaswerk abgerissen. Lediglich die Eisenbahnstraße und ein kleiner Gleisrest auf der Stresemannstraße mitsamt Gedenktafel erinnert noch an diese Episode in der Verkehrsentwicklung.

Eisenbahn-Markthalle
Die Markthalle IX gehört zu einem Bauprogramm des Berliner Magistrats, mit dem offene Verkaufsstände auf Wochenmärkten durch Hallen ersetzt wurden. Leicht verderblichen Waren wie beispielsweise Fisch sollten nicht länger auf offenen Wochenmärkten verkauft werden. 1881 wurde ein Markthallenkonzept erarbeitet, bereits 1892 waren eine Zentralmarkthalle und 14 kleinere Markthallen gebaut. Der Arzt Rudolf Virchow hatte an dieser Planung maßgeblich mitgewirkt. Er hatte sich nicht nur der sozialen Medizin verschrieben, sondern auch der Stadthygiene. Die Wechselwirkung von Krankheiten und gesellschaftlichen Faktoren war ein Schwerpunkt seiner Arbeit, daraus entstanden Projekte wie Kanalisation, Trinkwasserversorgung, städtischer Schlachthof, Krankenhausbauten, Krankenpflegeausbildung.

Auf einem Grundstück, das von der Eisenbahnstraße bis zur Pücklerstraße durchgeht, hat der Berliner Stadtbaurat Hermann Blankenstein straßenseitig zwei Gebäude mit markanter Fassadengliederung erbaut. Für den Marktbetrieb erstreckt sich zwischen den beiden Bauten eine Halle in Form einer Basilika. Das filigrane Tragwerk dieser Halle besteht aus gusseisernen Säulen, über Oberlichter wird die Halle beleuchtet.

Gemeindeschulen
Der Stadtbaurat Hermann Blankenstein und sein Nachfolger Ludwig Hoffmann errichteten im Kiez zwischen Lausitzer Platz und Mariannenplatz diverse Schulgebäude. Wenn die Nummerierung mehrerer gleichzeitig auf einem Grundstück errichteter Schulen nicht fortlaufend ist, so haben sie sich nicht beim Schulbau verzählt. Das Rätsel haben wir schon bei einem Rundgang durch den Graefekiez geklärt.

Wrangelstraße
In der Wrangelstraße sind es die 128., 80., 193. und 195. Gemeindeschule, die Hermann Blankenstein auf einem Schulzentrum am Rande des Mariannenplatzes angelegt hat. Dazu gehört auch das am Platz direkt angrenzende Leibniz-Gymnasium. An der Wrangelstraße ist nur das Lehrerwohnhaus zur Straße hin sichtbar. Weiter im Blockinneren stehen die Schulen auf deutlich preiswerterem Baugrund, der auch noch den Vorteil hat, vor Straßenlärm geschützt zu sein.

Waldemarstraße, Manteuffelstraße
Im Kontrast zu den funktionalen Bauten Blankensteins, die sich an die Schinkel-Schule anlehnen, ist die später von Ludwig Hoffmann errichtete Gemeindeschule an der Waldemarstraße in verspielter Neorenaissance gehalten. Das ausgedehnte Schulgebäude und der Schulhof werden erst zur Manteuffelstraße hin sichtbar. An der Waldemarstraße am Lehrerwohnhaus erklingt nur die architektonische Grundmelodie, die am Schulgebäude vollendet ausgespielt wird.

An diesem Schulgebäude kann man lernen, was "Knickschweifgiebel" sind. Die geschwungene Kontur eines (meist kunstvoll verzierten) Renaissancegiebels ist der "Schweif". Zwei Giebel nebeneinander, die sich der Dachform anpassen, bilden den "Knick".


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Lausitzer Platz
Direkt am Lausitzer Platz entstand als eine der ersten Gemeindeschulen im Kiez ein dreigeschossiger Klassenstrakt, der leicht hinter die Baufluchtlinie zurückgesetzt ist. Der schlichte Bau - aus Steinen der Hermsdorfer Ziegelei erbaut - trägt ein aufwendiges Figurenwappen über dem Dachgesims. Das von einem Baumeister errichtete Schulgebäude wurde später durch Hermann Blankenstein rückseitig an der Muskauer Straße ergänzt.

Oranienstraße
"Städtische Blindenanstalt" steht an der Hausfassade der Oranienstraße 26. Doch das war nur ein 26jähriges Gastspiel in der mehr als 150jährigen Geschichte des Gebäudeensembles. Der Bau reicht bis zur Naunynstraße hindurch und wurde 1864 als 20. und 42. Gemeindeschule errichtet. Seit 1928 gibt es die Bürstenmanufaktur in dem Gebäudeteil an der Oranienstraße. Seit 20 Jahren hat sich die Manufaktur auf Designprodukte umgestellt und verkauft Eierbecher, Souvenirs, Bilderrahmen und Lampenschirme - alles aus Borsten.

Gewerbehöfe
An der Oranienstraße liegen zwei Gewerbehöfe unmittelbar gegenüber, der Oranien-Hof und der Hof der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (nGbK). Der Oranienhof ist ein typischer Kreuzberger Wohn- und Gewerbebau mit drei Höfen. Die Straßenfassade mit einem Erker, der von zwei Atlanten gestemmt wird, die Fassaden auf den Höfe weiß gekachelt.


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Hier hat vor hundert Jahren die Firma Deuta "Autotempometer", also Tachos produziert. Sie rühmt sich heute noch auf Ihrer Homepage: "Der Name Deuta wird zum Synonym für Genauigkeit in Automobilen und selbst der Kaiser verlässt sich in seinen Fahrzeugen auf Tachometer von Deuta". Heute sitzt die Fabrik im Bergischen.

Und noch andere hübsche Namen gab es in jener Zeit auf diesem Hof: eine Spielwarenfabrik Liebe, eine Kartonagenfabrik Zapf & Nägele, eine Buchdruckerei mit Namen Groß & Co und eine Maschinenfabrik Bierfreund. Die Szenekneipe im Haus hat den Namen der Maschinenfabrik abgewandelt, sie heißt "Bierhimmel". Noch mehr Bier: An der Eisenbahnstraße gegenüber der Markthalle verbinden sich "Bierzapfhähne" mit dem Namen des Widerstandskämpfers Wilhelm Leuschner. Eine Stele erinnert daran, dass sich in seiner Fabrik zur Herstellung von Bierzapfhähnen Angehörige des Widerstandes gegen die Nazis trafen. Nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 wurde Leuschner in Plötzensee hingerichtet.


Unser erster Besuch im Januar 2008 endete bei einem Italiener in der Dresdener Straße, der in Symbiose mit der Bar "Würgeengel" lebt. Ein schmaler interner Durchgang - den wir ausnahmsweise benutzen durften - führte vom Italiener zur Bar. Heute kehren wir in das "Weltrestaurant" ein, das im Kopfbau der Markthalle an der Pücklerstraße seine Gäste empfängt. Der Gastraum ist eine Halle mit schlichtem Interieur, man lobt sich für "die Ruhe, die schlichten Tische und Stühle, die ehrwürdigen Holzpaneele". Wenn alle Gäste Platz genommen haben, ist es eher hallig, aber das österreichisch inspirierte Essen schmeckt. Und wo wird so fein differenziert auf einer Speisekarte: Es gibt zum Aussuchen ein (echtes) Wiener Schnitzel und ein Schnitzel "Wiener Art".

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... und hier sind weitere Bilder ...
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Unsere Route (heute mit Punkten markiert):
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