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Luftkurort Schwindelpfalz


Stadtteil: Charlottenburg, Spandau
Bereich: Siemensstadt
Stadtplanaufruf: Berlin, Goebelplatz
Datum: 18. April 2007

Siedlungen mit Reihenhäusern und Mietshäusern mit vielen Grünflächen und altem Baumbestand. Zentral gelegen, aber ohne Verkehrslärm, OHNE GRAFFITI. Erbaut von berühmten Architekten (u.a. Bartning, Scharoun, Gropius), mit Reliefs und Skulpturen (u.a. von Winterfeld) und Brunnenanlagen (z.B. Märchenbrunnen). Initiiert von einem großen Industrieunternehmen, das sich um die Ansiedlung seiner Mitarbeiter bemüht hat und auch eine eigene Bahnverbindung finanzierte.

Das ist die Großsiedlung Siemensstadt, südlich des Hohenzollernkanals (Saatwinkler Damm) und östlich des Rohrdamms gelegen, im Süden begrenzt von einer S-Bahnlinie mit dem Bahnhof "Siemensstadt".

Wer nie bei Siemens-Schuckert war,
bei AEG und Borsig,
der kennt des Lebens Jammer nicht
der hat ihn erst noch vor sich.

Dieses Spottlied der Arbeiter entstand um 1900, als der Arbeitsweg zu Siemens noch mit langen Fußmärschen verbunden war. Die Anfahrt von Charlottenburg mit der Vorortbahn führte nur bis zur Station Jungfernheide, von da an musste man zu Fuß über den noch kaum ausgebauten Nonnendamm zur Fabrik laufen. Oder es ging zeitraubend von Fürstenbrunn mit der Fähre über die Spree. Später hat dann Siemens in der Nacht heimlich die Rohrdammbrücke über die Spree nach Charlottenburg geschoben, aber das ist eine andere Geschichte, die später einmal erzählt werden soll.

Auf jeden Fall wird deutlich, dass die Entwicklung von Siemens von der fabriknahen Ansiedlung der Mitarbeiter und der Schaffung von Verkehrsverbindungen abhing. Die Stichbahn zur Siedlung Siemensstadt wurde von Jungfernheide aus gebaut und 1929 in Betrieb genommen, zeitgleich mit dem "Siemensstadt-Wernerwerk" an der Gartenfelder Strecke. Die Haltestelle "Siemensstadt-Fürstenbrunn" an der Strecke nach Spandau bestand bereits seit 1905. Durch den S-Bahnboykott nach dem Mauerbau und die Eröffnung der Spandauer U-Bahn-Strecke mit dem Bahnhöfen "Siemensdamm" und "Rohrdamm" wurden die Siemens-S-Bahnhöfe bedeutungslos, sie wurden stillgelegt, Fürstenbrunn wurde später abgerissen. Der Bahnhof Siemensstadt über dem Rohrdamm, auf der Bahnbrücke gelegen, ist als technisches Denkmal erhalten geblieben.

Es gibt in Siemensstadt mehrere Wohnsiedlungen mit jeweils eigenem Charakter. Die Siedlung "Rohrdamm(-West)" wurde erst nach dem 2.Weltkrieg aus viergeschossigen Zeilenblöcken erbaut, an der Südseite mit vorgezogenen Balkontrakten, die Laubengängen ähneln. Familiärer ist die "Siemens-Siedlung" östlich des Rohrdamms, die in mehreren Bauphasen von 1922 bis 1932 entstand. Ein- und zweigeschossige Einfamilienhäuser im Bereich der "Schwindelpfalz", Reihenhäuser mit Dachgauben und viergeschossige Häuserzeilen geben jedem Bereich eine unverwechselbare Note. Der Genoveva-Brunnen und Reliefs über den Hauseingängen erzeugen das Gefühl, hier Zuhause zu sein.

Warum der Bereich um den Heidewinkel und Eichengrund "Schwindelpfalz" heißt, ist auch auf der sehr ambitionierten Siemensstadt-Homepage von Karl H. P. Bienek nicht überzeugend erklärt. Jedenfalls ist dies die dörflich wirkende Einfamilienhaussiedlung, in der ich einer aufgebrachten Anwohnerin erklären muss, warum ich hier fotografiere und nicht vorher ein Rundschreiben geschickt oder geklingelt habe. Schon Franz Hessel, der Vater aller Flaneure, hat darunter gelitten, dass er immer misstrauische Blicke abbekommt, weil man ihm wohl für einen Taschendieb hält. Die Wurzel des hiesigen Misstrauens ist wahrscheinlich eher die Furcht vor einer "Heuschrecke", die die Siedlung aufkaufen und die Mieter bedrängen will.

Im Kontrast zu der familiären Siemens-Siedlung steht die Großsiedlung zwischen Goebelstraße und Heckerdamm, die von der Architekten-Avantgarde der zwanziger Jahre entworfen wurde und luftiges, grünes und sonnendurchflutetes Wohnen in der Blockbebauung parallel zu den Straßenzügen ermöglichen sollte. Der Architekt Bartning hatte hier das Pech, ein in Ost-West-Richtung verlaufendes, 380 m langes Gebäude planen zu müssen, das 28 gleichförmige, viergeschossige Häuser nebeneinander stellt. Es wird heute als "Langer Jammer" bezeichnet, enthält aber hinter der schmucklosen Nordfassade auf der Südseite Balkons, die auf einen parkartigen Grünzug zeigen.

Gropius baute entlang des Jungfernheidewegs viergeschossige Baukörper mit zeitlos schnörkelloser Fassade und Sonnenterassen auf den Dächern. An der Goebelstraße lagerte er einen Ladenpavillon vor die Gebäudeecke, so dass die Wuchtigkeit der hohen Bauten gebrochen wurde. Scharoun baute Dachabstufungen in seinen Bau, die dem Bau den Namen "Panzerkreuzer" gaben. Häring schließlich gliederte die Fassaden auf der Westseite seiner Häuser mit geschwungenen Balkonen, die einen fröhlichen, wellenartigen Rhythmus erzeugen, während die Ostseite steril glatt gehalten ist. Großzügige Grünräume geben der ganzen Großsiedlung trotz der hohen Baukörper eine parkartige Leichtigkeit.

Nach dieser Entdeckung von freundlichen Wohnquartieren unterschiedlicher Prägung mit viel Lebensqualität beschließen wir in einer Pizzeria am Quellweg den ausgiebigen zweieinhalbstündigen Rundgang.

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Ein späterer Besuch in Siemensstadt: Ein guter Deutscher

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